Ritterschlag für die Internet-Telefonie

Hintergrund: Die Internet-Telefonie wird gesellschaftsfähig; AOL und AT&T verschärfen den Wettkampf um den Markt als Internet-Komplettanbieter.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die Beteiligung von AT&T an Net2Phone ist die erste große Investition einer klassischen Telefonfirma in ein Unternehmen, das mit der Technik des Telefonierens über das Internet Geschäfte macht. Viele Firmen wie Cisco, 3Com, Philips oder Siemens sind zwar sehr aktiv im Markt der IP-Telefonie – in der Regel konzentrieren sie sich aber darauf, klassische Telefonanlagen mit IP-Netzen zu vereinen, sodass Unternehmen sowohl Sprach- wie Datendienste über ein Kabel abwickeln können. Das Telefonieren über das öffentliche Internet, bei dem für Endanwender normalerweise nur die Gebühren für lokale Verbindungen bei beliebigen nationalen und internationalen Gesprächen fällig werden, wurde lange Zeit als große Gefahr für das Geschäft der klassischen Carrier wie der Deutschen Telekom oder AT&T angesehen.

In letzter Zeit war es darum allerdings etwas still geworden: Die Probleme der verbindungsorientierten Sprachkommunikation über das packetorientierte Internet, dessen Übertragungsbedinungen stark schwanken, sowie der schnelle Fall der Telefongebühren auch in Europa ließen die Technik lange nicht mehr so attraktiv erscheinen wie noch vor einigen Monaten (siehe dazu auch Sprache in Päckchen – Telefonieren über TCP/IP: Spielerei oder Zukunftstechnik? in c't 10/99, Seite 220). Inzwischen sehen aber viele Anbieter in der Internet-Telefonie wieder eine Chance, im Endkundenmarkt einen Vorteil vor der Konkurrenz zu gewinnen.

"Es ist wohl offensichtlich, dass diese Investition [in Net2Phone] eine Erweiterung unserer Internet-Strategie darstellt", erklärte AT&T-Chef C. Michael Armstrong. Mit der Beteiligung an Net2Phone erhalte man einen Vorsprung von 18 bis 20 Monaten vor der Konkurrenz: "Das ist wirklich die erste Firma, die das Internet mit dem öffentlichen Telefonnetz zusammenbringt." Zusätzlich gab es laut dem Finanzdienst Bloomberg Informationen aus AT&T-nahen Kreisen, dass Microsoft nächste Woche in Net2Phone investieren und eine Kooperation mit der Firma ankündigen werde. Auch AOL, bereits mit 5 Prozent an Net2Phone beteiligt, will nach Erklärungen von Howard Jonas, Chef des internationalen Carriers IDT, den Anteil auf 7 Prozent erhöhen. IDT verkauft im Rahmen des angekündigten Deals einen Teil seiner Net2Phone-Aktien an AT&T.

Die Investition von AT&T dürfte die Blütenträume von AOL aber etwas dämpfen. Nach Meinung einiger Analysten hoffte AOL, selbst eine Mehrheit an Net2Phone zu bekommen, um nach der Fusion mit Time Warner als Komplettanbieter für Daten- und Sprachdienste sowie Inhalte gegenüber den Endkunden auftreten zu können. Es gibt bereits Abkommen zwischen Net2Phone und AOL, die Internet-Telefonie in AOLs Instant Messenger zu integrieren. AT&T ist allerdings einer der härtesten Konkurrenten für die Vorhaben von AOL: Als Internet-Provider tritt der Konzern unter dem Label WorldNet auf, seine Beteiligung an Excite@Home bringt zudem Hochgeschwindigkeits-Internet über Kabel zu den Privatkunden. Mit dem Einkauf bei Net2Phone macht AT&T die Internet-Telefonie nicht nur gesellschaftsfähig, sondern gewinnt auch einen Vorsprung vor AOL, um Privatanwendern Sprach- und Datendienste über einen Internet-Zugang anbieten zu können. (jk)