RoboCup-WM: Der lange Marsch in die Wohnzimmer

Für die Roboter, die bei der RoboCup-WM in der neuen Liga RoboCup@Home antreten, bedeutet die Navigation in einer für Menschen völlig normalen Wohnzimmerumgebung eine große Herausforderung.

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Von
  • Angela Meyer

RoboCup@Home: Für Menschen unproblematische Umgebungen stellen Roboter noch vor große Herausforderungen [Klicken für vergrößerte Ansicht]

Ein offener Wohnraum mit Sitzecke, Couchtisch, Fernseher und Pflanzen. Ein Fenster, durch das von der Seite Tageslicht in den Raum fällt bei einer ansonsten etwas trüben Beleuchtung. Ein Esstisch mit Stühlen neben einer Küchenzeile. Für einen Menschen ist dies eine völlig normale Umgebung, die er beim ersten Betreten spontan erfasst. Für die Roboter, die bei der RoboCup-WM in der neuen Liga RoboCup@Home antreten, bedeutet die Navigation in dieser unbekannten Umgebung dagegen eine große Herausforderung: "Die Tests, bei denen die Roboter vier Punkte im Raum in vorgegebener Reihenfolge anfahren beziehungsweise einem Menschen folgen müssen, scheinen zunächst nicht schwierig", sagt Thomas Wisspeintner, der die Liga gemeinsam mit Tijn van der Zant ins Leben gerufen hat. "Anders als im Labor haben die Roboter hier beim Wettbewerb aber nur einen Versuch zu einem definierten Zeitpunkt."

Die Vorgabe, sich in einer unbekannten Umgebung, die sich während des Wettbewerbs auch ändern kann, gezielt zu bewegen, stellt Anforderungen an die Roboter, die zwischen denen der Middle-Size-Liga mit ihrem klar definierten Feld auf der einen Seite sowie der Rescue-Liga mit trümmerübersätem Gelände auf der anderen Seite liegen. Dies erfordert sehr robuste Systeme, die auf Anhieb mit schnell wechselnden Bedingungen zurechtkommen – wie sie auch bei einem Einsatz im Alltag gebraucht würden. Um in einem Raum gemeinsam mit Menschen agieren zu können – sei es im Wohnzimmer oder auf dem Fußballfeld –, brauchen Roboter neben der autonomen Bewegung in unbekannten Räumen aber noch eine zweite grundlegende Fähigkeit: Sie müssen mit Menschen intuitiv kommunizieren und interagieren können – etwas, das so bisher in keiner Liga entwickelt wird.

Dies ist nicht der einzige Unterschied: Während sich in älteren Ligen durch Vorgaben zur Ausstattung sowie den Austausch der Erkenntnisse zwischen den Teams mit der Zeit Quasistandards herausbilden, starten die Roboter bei der erst am Anfang dieses Jahres offiziell angekündigten RoboCup@Home-Liga noch mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. "Wir haben ganz bewusst keine Vorgaben für die Roboter gemacht, weil wir den Übergang aus anderen Ligen erleichtern und keine Ansätze ausschließen wollten", begründet Wisspeintner den Ansatz. Das Konzept geht auf: Die elf teilnehmenden Teams sind eine bunte Mischung aus Neueinsteigern mit eigenen Konstruktionen und erfahrenen RoboCuppern, die aus anderen Ligen beispielsweise mit umfunktionierten Middle-Size-Robotern oder Aibos aus der Four-Legged-Liga zu dieser Liga gewechselt sind.

Auch einem Menschen zu folgen ist für Roboter noch kein Kinderspiel [Klicken für vergrößerte Ansicht]

"Wir fangen mit einigen kleinen Fähigkeiten an, die im Labor bereits funktionieren, hier aber unter erschwerten Bedingungen gezeigt werden müssen, und nehmen nach und nach immer mehr Fähigkeiten dazu, die wir später dann auch kombinieren werden", skizziert Wisspeintner die geplante Entwicklung der Liga. Ziel ist, die Unsicherheit nach und nach so weit zu erhöhen, dass reale Umweltbedingungen bewältigt werden.

Für den Anfang sind die Anforderungen noch deutlich bescheidener: So wurde die Position der Wände und eine Liste der maximal vorhandenen Gegenstände zu Beginn der RoboCup-WM bekannt gegeben. In der ersten Phase des Navigationstests, dem Proof of Concept, können sich die Teams aussuchen, welche vier Punkte im Raum der Roboter in welcher Reihenfolge anfahren soll. Auch reicht es in dieser Phase noch, wenn sie die Anweisungen für den Roboter eintippen, statt sie auszusprechen. Wie bei der unter dem Stichwort General Applicability konzipierten zweiten Phase des Navigationstests, in der Spracherkennung Pflicht ist, muss die Anweisung aber schon ein grammatikalisch korrekter Satz sein. Bei der zweiten Phase muss dieser nicht nur gesprochen werden, sondern die Erkennung hat auch sprecherunabhängig zu sein: Das Kommando gibt dort die Wettbewerbsleitung, wobei aber zunächst noch drahtlose Mikrofone erlaubt sind, um die Nebengeräusche auszublenden. In beiden Phasen muss der Roboter per Sprachausgabe jedes Mal Bescheid geben, sowie er eine der geforderten Positionen seiner Meinung nach erreicht hat.

Bei den ersten Tests in der neuen Liga zeigte sich, dass Roboter ohne eine redundante Sensorik in einer Alltagsumgebung bereits bei der Navigation sehr schnell scheitern können, denn jeder Sensor hat seine spezifischen Schwächen: So erkannten nur mit Sonarsensoren ausgestattete Roboter keine dünnen Tischbeine. Laserscanner können dagegen nicht mit spiegelnden Oberflächen umgehen, und zur Auswertung von Kamerabildern braucht man eine Struktur im Bild, keine glatte einfarbige Fläche. Einen Ausweg bietet nur eine intelligente Kombination mehrerer Sensoren. Die Fusion der Sensorinformationen geschieht dabei meist über ein Kalmanfilter, ein Algorithmus zur Zustandsschätzung, der die Daten nach Wahrscheinlichkeit gewichtet.

Auch bei der Aufgabe, einen Menschen als solchen zu erkennen und ihm zu folgen, ist es wichtig, mehrere Informationsquellen gleichzeitig nutzen zu können. Im Wettbewerb haben die Roboter maximal eine Minute Zeit zum Kalibrieren auf den Menschen und müssen diesem dann durch den Raum folgen. Roboter, die nur auf Kamerabilder zurückgreifen konnten, haben den Menschen leicht verloren, während bei einer Erkennung nur über Laserscanner auch Gegenstände als Mensch identifiziert wurden.

Während in diesem ersten Teil der Vorrunde alle Teams bestimmte Standardprobleme bewältigen müssen, besteht der zweite Teil aus einem offenen Wettbewerb, der Open Challenge, bei der jedes Team selbst entscheidet, was es zeigt. "Wir wollen nicht nur bei den von uns gestellten Aufgaben ein möglichst hohes Niveau erreichen, sondern schauen gleichzeitig nach guten neuen Ansätzen, die die Leute unabhängig davon mitbringen, um langfristig eine Standardisierung hinzubekommen, auf der man dann aufbauen kann", sagt Wisspeintner, der beim Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme an einem Baukastensystem für mobile Systeme arbeitet, das für die Entwicklung anspruchsvoller Prototypen nutzbar sein soll.

Die fünf Teams, die in der Vorrunde am besten abschneiden, müssen sich im Finale am Sonntag einer zweiten Open Challenge stellen. Während die Jury bei der ersten auf die Techniken an sich achtet, stehen bei der zweiten eher weiche Kriterien im Vordergrund: Ist die Fähigkeit wirklich nützlich, kann man sich dafür eine Anwendung vorstellen? Wie schwierig ist das? Und vor allem: Wie gut funktioniert die Interaktion zwischen Mensch und Maschine? Wirklich alltagstauglich ist ein Roboter schließlich erst, wenn man mit ihm über Sprache, Gestik oder sogar Mimik kommunizieren kann.

Zu den RoboCup-Wettbewerben und der zugehörigen Forschung siehe:

  • Mehr als nur Fußball, RoboCup-WM wird erstmals in Deutschland ausgetragen, c't 13/06, S. 98
  • KI auf dem Fußballfeld, Praktische Forschung bei der RoboCup-Weltmeisterschaft, c't 13/06, S. 102

Zur diesjährigen RoboCup-WM und den begleitenden Veranstaltungen:

Zur RoboCup-WM 2005:

Zur RoboCup-WM 2004:

Siehe zu dem Thema Robotik auch das c't-Roboterprojekt:

(anm/c't) / (jk)