Roboter Temi im Hands-on: Ein fahrendes Tablet für 1500 Dollar
Temi kann eigentlich nicht viel mehr als ein normales Android-Tablet – das Tolle: Er fährt autonom durch die Wohnung. Wir haben den Roboter ausprobiert.
Seit Jahren sind Consumer-Roboter angeblich das nächste große Ding™, aber irgendwie kommen die Dinger nicht in die Pötte – immer wieder werden Produkte angekündigt, die vor der Markteinführung spurlos verpuffen; unter anderem Kuri von der Bosch-Tochter Mayfield Robotics.
Das israelisch-chinesische-amerikanische Startup Temi wagt mit nun einen neuen Versuch: Ein "Personal Robot" soll Temi sein, das Besondere ist sein günstiger Preis von 1500 US-Dollar. Das klingt erstmal teuer; ist aber im Vergleich zu 20.000-Euro-Geräten wie Pepper von Softbank ein Schnäppchen.
Und: Temi soll bereits ab Oktober ausgeliefert werden, das versprachen die Gründer zumindest auf der IFA. Wir haben den Roboter am Temi-Messestand ausführlich ausprobiert (siehe auch Video unten).
Staubsauger ohne Staubsauger
Technisch ist Temi mit einem Staubsaugerroboter vergleichbar, auf den ein 10-Zoll-Tablet auf einer Stange montiert ist – sogar die Aufladestation, in die der erschöpfte Temi automatisch fährt, sieht genauso aus, wie die eines Saugroboters. Unten am Gehäuse rotiert wie zum Beispiel beim Xiaomi Mi Robot Vacuum ein LIDAR-Sensor zur Raumerfassung. Doch auch wenn sich Temi bei Antrieb und Orientierung an Saugrobotern orientiert, hat er keine Saugfunktion eingebaut.
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Stattdessen gibt es ein 20-Watt-Soundsystem mit einem Subwoofer, zwei Mitteltönern und zwei Tweetern – von Temis durchsetzungsfähigem Organ konnten wir uns auf der IFA live überzeugen: Trotz Messelärms waren Sprachansagen und Musik problemlos zu hören, auch wenn man keine gehobene Hi-Fi-Qualität erwarten darf.
Sein "Kopf" ist ein Android-Tablet, auf dem beliebige Apps aus dem Google-Play-Store installieren werden können. Normalerweise läuft aber die Temi-App, die sich um die Interaktion zwischen Benutzer, Tablet und Fahrgestell kümmert.
Ein Meter pro Sekunde
Der Akku soll im Normalbetrieb acht Stunden durchhalten, bei Dauerbespielung ist er schon nach zwei Stunden leer. Angetrieben wird Temi von zwei unabhängig arbeitenden 50-Watt-Motoren, er bewegt sich mit bis zu einem Meter pro Sekunde.
Temi ist vollgestopft mit Technik: Neben dem 360-Grad-LIDAR sind zwei Tiefenkameras, zwei RGB-Kameras, fünf Näherungssensoren und sechs Time-of-Flight-Sensoren eingebaut. Dennoch funktioniert die Orientierung und vor allem die Personenerkennung noch nicht zuverlässig – zumindest nicht bei den IFA-Prototypen. Spricht man den Roboter mit "Hey Temi, follow me" an, richtet sich sein Kopf (also das Tablet) automatisch in die Richtung des Sprechers und versucht diese oder diesen mit einer im Tablet eingebauten RGB-Kamera zu erkennen. Danach übernimmt der untere Teil des Roboters, der sich an den Füßen des zu Verfolgenden orientiert. Bei unseren Probeläufen verstand Temi häufig die Befehle nicht, erkannte kein Gesicht oder brach während der Fahrt abrupt die Verfolgung ab. Bis zur Markteinführung wolle man die Probleme freilich allesamt beheben.
Was bleibt
Trotz Orientierungsproblemen fanden wir Temi faszinierend: Der Gedanke, einen eigenen, autonom durch die Wohnung fahrenden Roboter zu besitzen, dürfte nicht nur Nerds faszinieren. Auch als Grüßonkel für Firmen-Foyers oder als Zimmer-Zeiger in Hotels kann man sich Temi gut vorstellen (auch wenn die Entwickler zugeben, dass er zurzeit noch nicht gut mit Fahrstühlen umgehen kann).
Aber vor allem in der eigenen Wohnung dürfte der Roboter Spaß machen: Zum Beispiel als Rezeptevorleser in der Küche oder als fahrende Lautsprecherbox bei der Hausarbeit; und natürlich zum Besuch-Beeindrucken. Letztendlich ist Temi vor allem ein cooles Spielzeug – für das man leider 1500 Dollar hinblättern muss. (jkj)