Roboterschau Elrob: Terminators Cousins als Menschenretter

Zum Abschluss der vorletzten Elrob durften Roboter beweisen, wie gut sie verletzte Menschen aus einer Gefahrenzone bergen können. Insgesamt schlugen sie sich dabei ganz gut, aber ob die Verletzten alle überlebt hätten, ist mindestens fraglich.

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Roboterschau Elrob: Terminators Cousins als Menschenretter

Die Opferpuppe wird in Sicherheit gezerrt.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Lesezeit: 7 Min.
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  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Das heutige Katastrophenübungsgelände Tritolwerk des Österreichischen Bundesheeres verdankt seinen Namen einer Produktionsanlage für Trinitrotoluol (TNT), umgangsprachlich Tritol genannt, die hier vor hundert Jahren errichtet wurde. Hintergrund dafür war die durch den Ersten Weltkrieg dramatisch gestiegene Nachfrage nach dem Sprengstoff, die gleichwohl durch das erst 1918 fertiggestellte Werk nicht mehr befriedigt werden konnte.

Der Erste Weltkrieg, der als erster voll industrialisierter Krieg gilt, ist auch eine der Wurzeln der modernen Idee von Robotik: Die Erfahrung der Rekruten in den Schützengräben, kleine Rädchen einer gigantischen Kriegsmaschine zu sein, die unerbittlich den Takt vorgibt, brachte kurz nach Kriegsende die Vision hervor, dass intelligente Maschinen dauerhaft die Herrschaft über die Menschen übernehmen könnten: Das 1921 uraufgeführte Bühnenstück "R.U.R." von Karel Čapek verwendete dabei erstmals überhaupt den Begriff "Roboter" und der Film L’Uomo meccanico präsentierte mit drei Meter großen, stählernen Kampfmaschinen so etwas wie die Großväter des Terminators.

Bei der Roboterleistungsschau Elrob 2016, die am Donnerstag auf dem Tritolwerk bei Eggendorf zuende ging, waren keine Kampfroboter gefragt, wohl aber solche, die Kampfeinsätze unterstützen können, sei es durch Transport von Ausrüstung oder Aufklärung unbekannten Geländes. Am letzten Tag bestand die Aufgabe in der Suche und Bergung verletzter Personen. Und ausgerechnet bei diesem harmlos klingenden Szenario MedEvac fiel es zeitweise schwer, nicht an den Terminator zu denken.

Langsam lauter werdendes Rattern von Antriebsketten, hektische Bewegungen im Gebüsch, kleine Bäume, die sich auf einmal zur Seite neigen – der Auftritt des Roboters tEODor, der sich als erster auf die Suche nach Verletzten machte, war jedenfalls kinoreif. Das erste Opfer, simuliert durch eine lebensgroße, 75 Kilogramm schwere Puppe, hatte Andreas Ciossek vom Team Cobham mit dem 360 Kilogramm schweren Roboter relativ schnell finden und bergen können, indem er die Puppe an der Uniform griff und so hoch hob, dass der Kopf den Antriebsketten nicht zu nahe kam.

Bergungsroboter auf der Elrob 2016 (14 Bilder)

Angreifer oder Retter? tEODor bricht durchs Gebüsch... (Bild: Hans-Arthur Marsiske)


Die zweite Puppe war schwerer zu entdecken, doch auch sie hätte Ciossek wohl rechtzeitig zum Basislager zurück transportiert – wäre da nicht die durch Gebüsch verdeckte Mulde gewesen. Der Roboter rutschte weg, die Ketten drehten durch, sodass der Versuch abgebrochen und tEODor mit einer Zugmaschine geborgen werden musste. Bei einem zweiten Durchgang am Nachmittag gelang ihm dafür die Bergung von zwei Puppen in der Rekordzeit von 13 Minuten.

Das Team ELP trat zunächst mit dem ungefähr 25 Kilogramm schweren Packbot an und konnte damit die 10 Kilogramm schwere Puppe erstaunlich sicher greifen und transportieren. Es entstand aber regelmäßig eine Pause, wenn der Roboter sich dem Opfer genähert hatte und der Operator den Roboterarm für den Griff vorbereiten musste. Auch der Rückweg war keine Kleinigkeit. Zwar konnte der Turm des ehemaligen Tritolwerks ebenso wie die Aufzeichnung des bisher zurückgelegten Wegs als Orientierung dienen, dennoch war es schwierig, allein mithilfe der Bordkamera eine Strecke zu finden, die auch mit der großen und schweren Last sicher befahrbar war.

Der Unfall des tEODor dürfte allen nachfolgenden Teams zudem eine Warnung gewesen sein. In einem zweiten Durchgang setzte Team ELP den knapp 230 Kilogramm schweren Roboter Kobra ein, mit dem die 75 Kilogramm schwere Puppe innerhalb von 30 Minuten zweimal gefunden und zum Startpunkt gebracht werden konnte. Bei der zweiten Bergung fuhr der Roboter allerdings mehrmals über die Puppe, sodass der beobachtende Schiedrichter ironisch kommentierte: "I think you killed him."

Die diesjährige Elrob war die vorletzte Veranstaltung dieser Art. Die letzte soll im Jahr 2018 stattfinden, wo ist derzeit noch offen, ebenso wie die Frage, wie es danach weitergeht. Als Leistungsschau, die den gegenwärtigen Stand der Fähigkeiten bei Robotern für den Outdoor-Einsatz in unstrukturiertem und unbekanntem Gelände dokumentiert, hat sie sich zweifellos bewährt. Allerdings ist es nach wie vor schwierig, die Leistungen zu vergleichen.

Zum einen treten die Teams mit sehr unterschiedlichen Ausstattungen an und sind verschieden motiviert. So schickte etwa das polnische Team IMM beim Aufklärungsszenario einen Roboter ins Gebäude, der weder Objekte finden noch Radioaktivität messen konnte und damit keine Chance im Wettbewerb hatte. Teamleiter Janusz Będkowski war gleichwohl hochzufrieden, weil der Roboter komplett autonom gefahren war, eine Karte der Umgebung erstellt und damit die selbst gestellten Erwartungen zu hundert Prozent erfüllt hatte.

Zum anderen ist der Leistungsvergleich über die Jahre schwierig, weil die Bedingungen jedes Mal andere sind. Auf dem Gelände des Tritolwerks gibt es etwa kaum Bäume, die den GPS-Empfang stören könnten, während die Roboter bei früheren Elrobs schon mal durch dichten Wald geschickt wurden. Die Platzierungen beim Wettbewerb sind daher von beschränkter Aussagekraft. Der Leistungsstand der Robotik erschließt sich letztlich nur aus der aufmerksamen Beobachtung der gesamten Veranstaltung – zumal die Leistungen der Teams nicht allein auf die verwendete Technik zurückzuführen sind, sondern häufig ebenso auf das Geschick des Operators wie auch dessen Fantasie bei der Entwicklung einer geeigneten Strategie zur Lösung der jeweiligen Aufgabe.

Dennoch haben die Schiedsrichter mehrere Gewinner gekürt:

  • MuCAR in den Szenarien Convoy und Mule
  • Cobham in den Szenarien Urban Reconnaissance und MedEvac

Sonderpreise erhielten:

  • ARTOR für die beste wissenschaftliche Lösung, weil der Roboter als einziger das Szenario Mule komplett autonom bewältigte
  • TNO für die kreativste Lösung bei der Steuerung des Roboters mittels immersiver virtueller Realität
  • Austrian Technology für die beste Teamleistung, die trotz widriger Bedingungen zustandekam

Als Gewinner dürften sich aber alle gefühlt haben, angesichts des entspannten Umgangs miteinander und des intensiven Erfahrungsaustauschs. Teilnehmer ebenso wie Schiedsrichter und Zuschauer äußerten in bemerkenswerter Übereinstimmung, wie viel sie bei der Elrob regelmäßig voneinander lernen würden.

Bewaffnete Roboter werden hier zwar nicht getestet und die Wettbewerbe zur Untersuchung und Entschärfung von Sprengfallen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dennoch leistet die Veranstaltung durch die Gelegenheit, den Stand der technischen Entwicklung einzuschätzen und die Sichtweisen der militärischen Anwender aus erster Hand zu erfahren, auch einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte über die Beschaffung und den Einsatz bewaffneter Roboter. Wer verhindern will, dass die im Ersten Weltkrieg wurzelnden Schreckensvisionen von Killerrobotern Wirklichkeit werden, ist gut beraten, solche Gelegenheiten wahrzunehmen.

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Folgsame Roboter auf der Elrob 2016 (12 Bilder)

Ähnlich wie bei der Erkundung eines Gebäudes hatte der Packbot des Teams bebot mehrere Repeater mit hohen Antennen an Bord, die im Gelände auf sich selbst entfaltenden dreibeinigen Stativen aufgestellt wurden, um den Funkkontakt aufrechtzuerhalten -- was mit Einschränkungen auch gelang. (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Aufklärungsroboter bei der Elrob 2016 (13 Bilder)

Der Roboter Telemax, kurz vor dem Lauf: In den orangenen Kästen befinden sich die Relaisstationen, die im Gebäude verteilt werden und ein Funknetzwerk aufbauen sollen. (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Fahrzeuge bei der Elrob 2016 (9 Bilder)

Der Regen machte den Fahrzeugen des Teams MuCAR nichts aus... (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

(mho)