Robotik und Genderforschung: "Roboter sind queer"

An humanoiden Robotern wird das Geschlecht nicht nur sozial, sondern auch unmittelbar körperlich konstruiert. Das könnte der Geschlechterforschung helfen.

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R2D2 und C3PO: Männlich? Weiblich? Queer?

(Bild: Lucasfilm)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

"Gendering Robots – Ongoing (Re)configurations of Gender in Robotics" lautete das Thema eines Workshops zum Abschluss der Konferenz RO-MAN (International Conference on Robot and Human Interactive Communication). Er sollte einen Rahmen für interdisziplinäre Diskussionen bieten; dabei stand die Frage im Zentrum, inwieweit Roboter zu einer Verstärkung geschlechtlicher Stereotypen und Ungleichheiten beitragen oder sie infrage stellen können.

Es sei nahezu unmöglich, einem menschenähnlichen Roboter kein Geschlecht zuzuordnen, sei es aufgrund der Gestalt, der Stimme, der Bewegungen, der Redeweise oder der beabsichtigten Funktion, betonte Robert Sparrow von der Monash University. Solche Zuweisungen können wiederum einen starken Einfluss darauf haben, inwieweit diese Roboter von den intendierten Nutzern akzeptiert werden oder nicht.

In Japan hänge das offensichtlich vom Alter der Nutzer ab, berichtete Tatsuya Nomura von der Ryukoku University, der dazu eine Umfrage durchgeführt hat. Japan sei ein Land mit extrem hoher Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, schilderte Nomura, der die Hoffnung äußerte, dass Roboter hier zu einem Ausgleich beitragen könnten.

In der englischen Sprache gibt es die Unterscheidung zwischen "sex" und "gender", was grob dem biologischen und sozialen Geschlecht entspricht. Sparrows bezeichnete das als eine "tendenziöse Dichotomie". Sie könne zu der Annahme führen, es gebe eine "Wahrheit des Körpers", von der das sozial konstruierte Geschlecht mehr oder weniger abweichen könne. Welche Wahrheit gelten soll, sei eine Frage, die gesellschaftlich immer wieder neu ausgehandelt werde: Bin ich eine Frau, wenn ich mich so fühle? Wenn ich von anderen als solche akzeptiert werde? Oder nur, wenn Mediziner mein Geschlecht entsprechend bestimmt haben?

Roboter könnten dieser Diskussion eine neue Perspektive geben, denn bei ihnen sei es fraglich, ob es so etwas wie die "Wahrheit des Körpers" gebe, erläuterte Sparrows. Schließlich werden sie nicht mit einem mehr oder weniger deutlich erkennbaren Geschlecht geboren, haben auch keine Sexualorgane, sondern werden bis ins Detail bewusst gestaltet. Die Geschlechtsidentität ist daher vollkommen frei wählbar und nicht auf die Entscheidung zwischen männlich oder weiblich beschränkt.

Jenseits dieser binären Polarisierung seien ganz neue Robotergeschlechter denkbar, sagte Sparrows und unterstrich das mit einem Bild des Roboters C3PO aus den "Star-Wars"-Filmen: Der ist mit seiner goldenen Metallhaut, den verhaltenen Körperbewegungen und der hohen Stimme tatsächlich geschlechtlich nicht ohne Weiteres einzuordnen – was für seinen Partner R2D2 wohl in noch stärkerem Maße gilt. Sparrows schlug vor, solche Roboter als "queer" einzustufen, womit auf Englisch alle Abweichungen von der binären Geschlechterordnung bezeichnet werden.

Weitere Berichte von der Konferenz RO-MAN

Roboter seien ein Spiegel der Gesellschaft, unterstrich auch Astrid Weiss (TU Wien). Die Problematik der Geschlechtszuweisung sei von Sprachausgabesystemen her bereits hinreichend bekannt. Sie bei Robotern auszublenden, trage das Risiko in sich, bestehende Ungleichheiten und Konflikte zu festigen.

Forschungsprojekte wie RoboGen sollen dem entgegenwirken. Dabei beschränken sich gesellschaftliche Ungleichheiten natürlich nicht auf die zwischen den Geschlechtern. Die ist vielmehr mit beeinflusst durch ethnische Herkunft, sozialen Status, Bildung und andere Faktoren.

Juana Valeria Hurtado von der Uni Freiburg verwies auf neuere feministische Ansätze, die erkunden wollen, wie die Kolonialgeschichte heutige Sichtweisen geprägt hat. Damit steht sie in einer Linie mit der Forscherin Ruha Benjamin (Princeton University), auf die in der Workshop-Diskussion mehrfach Bezug genommen wurde und die erst kürzlich bei einer Konferenz zur Mensch-Computer-Interaktion in einer bemerkenswerten Keynote (siehe Video unten) die Verbindung zwischen diesen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen erläutert hat.

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(anw)