Roh und gekocht im Internet: Claude Lévi-Strauss

Heute wird der französische Anthropologe Claude Lévi-Strauss 100 Jahre alt. Der Begründer des Strukturalismus wird mit einer Serie von sehenswerten Videostreams auf Arte+7 geehrt.

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Von
  • Detlef Borchers

Heiß/kalt, das Rohe und das Gekochte, das Gegarte und das Verottete, der Honig und die Asche, der Mythos und die Wissenschaft: Claude Lévi-Strauss, ein Schüler des russischen Formalisten Roman Jakobson gehört zu den bedeutendsten Wissenschaftlern des 20.Jahrhunderts. In der Analyse von Mythen, Heiratsregeln und Kochrezepten bemühte sich Lévi-Strauss, der sich als Amerikanist bezeichnete, das binäre Denken der Kybernetik fruchtbar anzuwenden. Lévi-Strauss, der heute 100 Jahre alt wird, versuchte sich an der Erklärung, wie das menschliche Denken der "Wilden" wie der "Zivilisierten" mit einer unbegrenzten Reihe binärer Gegensätze operiert.

So formuliert Lévi-Straus nach der Interpretation eines indianischen Mythos vom großen Krieg, an dem Menschen, Tiere und Tiermenschen teilnahmen: "Auch wenn die Geschichte wissenschaftlich gesehen nicht stimmt, so bleibt doch festzuhalten, dass wir die genannte Eigenschaft des Mythos erst dann verstehen konnten, als es in der wissenschaftlichen Welt die Kybernetik und Computer gab und es uns mit ihrer Hilfe möglich wurde, binäre Operationen zu verstehen, die das mythische Denken schon vorher in ganz anderer Weise an konkreten Gegenständen oder Lebewesen vorgenommen hatte." Der von Lévi-Strauss angewendete "Strukturalismus" wurde von der Wissenschaft zunächst abgelehnt, weil er das menschliche Subjekt restlos demontierte, "ein unerträglich verwöhntes Kind, das allzu lange die philosophische Szene beherrscht". Erst in den Siebzigerjahren setzte sich seine Wissenschaft durch, wurde aber auch zu einer Modeerscheinung.

Mit dem Dokumentarfilm Claude Lévi-Strauss, das Selbstbildnis des Ethnologen und einer Reihe weiterer Filme stellt Arte+7 bis zum 5. Dezember Videostreams zur Verfügung, die das Wirken des großen Gelehrten begreifbar machen, der sich als "Ort, an dem vorübergehend gewisse Dinge geschehen" beschrieb – ganz wie die Videostreams. (Detlef Borchers) / (jk)