Rohstoffe für E-Autos aus der Tiefsee: Wissenschaftler warnen vor Lärmbelastung
2023 könnte der Abbau von Mineralien in der Tiefsee Realität werden. Wissenschaftler warnen vor den Folgen. Gerade die Lärmbelastung würde bisher oft übersehen.
Der Bedarf an Kupfer, Kobalt oder Nickel für die Herstellung von Elektrofahrzeugen und -geräten nimmt zu. Diese Rohstoffe aus dem Meeresboden der Tiefsee zu fördern, wird schon lange thematisiert. Bereits 2023 könnte es dazu kommen. Wissenschaftler schlagen erneut Alarm. Die zu erwartende Lärmbelastung ist offenbar immens.
In einem kürzlich veröffentlichen Artikel der Wissenschaftspublikation Science warnen Wissenschaftler, dass die Förderung von Mineralien aus dem Tiefseeboden nicht nur dazu führe, dass der Meeresboden ausgebaggert wird, sondern daneben zu einer erheblichen Lärmbelästigung. Bekannt ist, dass vor allem Wale und andere Meeressäuger durch Lärm empfindlich in ihrem Kommunikationsverhalten und Orientierungssinn gestört werden können.
Aber auch auf andere Teile des Ökosystems könnte sich die andauernde Lärmbelästigung durch Tiefseebergbau negativ auswirken. Ein Großteil des Lebens in der Tiefsee ist bisher unerforscht und unentdeckt. Forscher können deshalb keine genauen Aussagen darüber treffen, in welchem Ausmaß die Förderung von Mineralien und der damit verbundene Lärm sich auf das Ökosystem auswirken wird
Lauter als ein Rockkonzert
Problematisch sei laut der Wissenschaftler vor allem die Entfernung, über die sich der Lärm ausbreite. Der Lärm einer Mine entspreche im Umkreis von sechs Kilometern einem Rockkonzert oder sei sogar lauter. Er breite sich bis zu einer Entfernung von 500 Kilometern aus, wo er immer noch lauter hörbar sei, als der Umgebungslärm bei schönem Wetter. Im Gegensatz zum durch Häfen verursachten Geräuschpegel würde der Tiefseebergbau einen Lärm verursachen, der bis zum Meeresboden reicht. Zudem werde erwartet, dass die Lärmbelästigung durch den Bergbau über Jahre hinweg non-stop vorhanden sein werde, sagte einer der Autoren gegenüber The Verge.
Ihre Vorhersagen trafen die Autoren anhand von Modellen, schließlich hat der Tiefseebergbau bisher noch nicht begonnen. Bei der Modellierung konzentrierten sie sich auf die Clarion-Clipperton-Zone, ein etwa 7000 Kilometer langes Gebiet im Zentralpazifik zwischen Hawaii und Mexiko. Der dortige Meeresboden ist reich an Manganknollen, die neben Mangan auch Kupfer, Kobalt und Nickel enthalten – Stoffe, die bei der Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge oder für Smartphones benötigt werden.
Wissenschaftler fordern strenge Richtlinien und Transparenz
Der Forschungsbericht ist längst nicht die erste Warnung von Wissenschaftlern zur Mangan-Förderung in der Tiefsee. 2021 hat der Inselstaat Nauru angekündigt, Tiefsee-Mining in der Clarion-Clipperton-Zone zu unterstützen. In der Folge wurde dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen eine Klausel hinzugefügt, dass die International Seabed Authority, kurz ISA, diesbezüglich bis Mitte 2023 neue Vorschriften ausarbeiten muss. Seitdem haben Hunderte Wissenschaftler darauf gedrängt, den Abbau nicht aufzunehmen, bis man das komplexe Ökosystem und mögliche Auswirkungen eines Manganknollenabbaus besser verstehe. Ende Juni haben die Staatsoberhäupter einiger Inselstaaten, darunter Samoa, Fidschi und Palau, ein Moratorium für den Tiefseebergbau gefordert. Die Manganförderung grabe Lebensräume am Meeresboden um und verschütte sie. Dabei könnten für das ökologische Gleichgewicht wichtige Arten ausgelöscht werden, bevor sie überhaupt entdeckt würden.
Die Verfasser des Forschungsberichts fordern, dass Unternehmen, die in der Tiefsee nach Mineralien graben wollen, mehr Daten über die zu erwartende Lärmbelastung veröffentlichen. Ein Beginn des Tiefseebergbaus ohne strenge Richtlinien und Transparenz sei der Anfang eines groß angelegten, unkontrollierten Experiments, heißt es in dem Bericht.
(kst)