Wie maschinelles Lernen hilft, Wale zu verstehen

Pottwale unterhalten sich über Klick-Laute. Forscher wollen diese Form der Kommunikation nun mit maschinellem Lernen entschlüsseln.

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Drei Pottwal-Weibchen in gemütlicher Runde: Worüber sie sich wohl unterhalten, während sie durch das karibische Gewässer ziehen?

(Bild: Amando Cotton, The Dominica Sperm Whale Project)

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Verwenden Pottwale eine Art Sprache, und wenn ja, können wir sie vielleicht entschlüsseln? Schon lange versuchen Forschende, das melodische Singen von Buckelwalen oder die pfeifenden Laute von Delfinen zu verstehen. Pottwale stellen die Forschenden in dieser Hinsicht jedoch vor zusätzliche Probleme: Sie verständigen sich ausschließlich mit den Klick-Lauten der Echoortung. Komplexe Klick-Folgen – sogenannte Codas – setzen sie offenbar auch zur sozialen Kommunikation ein. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wale in ihren Gruppen eigene "gruppenspezifische Lautfolgen" verwenden – so etwas wie Dialekte.

Ob diese Kommunikation auch mit der menschlichen Sprache vergleichbar ist, ist eine offene wissenschaftliche Frage. "Große Tümmler haben eine Struktur in ihrem Pfiff-Repertoire, die als Syntax ausgelegt werden kann, also ein wichtiges Merkmal menschlicher Sprachen", erklärt erklärt Lori Marino, eine der weltweit führenden Walhirn-Forscherinnen. "Darum würde ich vermuten, dass auch Pottwale eine Syntax haben können. Bestätigt ist das aber noch nicht".

Wale nutzen für Unterhaltungen, zum Navigieren und zum Aufspüren der Beute ihr natürliches Sonar-System. Die Klicklaute zur Echoortung erzeugen sie unterhalb des Nasenlochs. Sie wandern dann zum Kopf, wo sie vom Schädelknochen zurück über den Vorderteil des Kopfes hinaus in die Umwelt geworfen werden.

(Bild: Cetacean Translation Initiative / Alex Boersma)

Maschinelles Lernen soll nun helfen, diese Frage zu beantworten. Das berichtet MIT Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe. Dazu arbeiten viele Expertinnen und Experten im 2020 gestarteten Projekt CETI (Cetacean Translation Initiative) zusammen. Darunter etwa Michael Bronstein vom Imperial College in London. Er hat erfolgreiche Start-ups gegründet, die sich mit Technologien für autonome Autos oder der Verbreitung von Falschinformationen im Internet beschäftigen. Mit dabei ist auch die Kryptografie-Expertin Shafi Goldwasser, Shane Gero vom Dominica Sperm Whale Project und viele weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den verschiedensten Bereichen wie Meeresakustik, Linguistik und Sprachverarbeitung.

Für die Verarbeitung und die Übersetzung menschlicher Sprachen waren in den vergangenen Jahren Methoden des maschinellen Lernens extrem erfolgreich – insbesondere sogenannte tiefe neuronale Netze, die mit extrem vielen Beispielen trainiert werden. Theoretisch ließe sich so etwas auch mit Codas bewerkstelligen, allerdings gibt es bisher nur rund 10.000 Wal-Coda-Datensätze.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 2/2022

(Bild: 

Technology Review 2/2022 im heise shop

)

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2019 gelang Bronstein und Kollegen jedoch bereits ein Teilerfolg: Sie trainierten spezielle neuronale Netze – LSTM (Long short-term memory) – darauf, den Zeitpunkt des nächsten Klicklautes in einer Coda vorherzusagen. Die so vortrainierten Netze brauchten nun wesentlich weniger Beispieldaten, um ihre eigentliche Aufgabe zu erlernen: die Art der Coda zu identifizieren, den jeweiligen Wal-Clan und den klickenden Wal. Alle drei Aufgaben konnten die neuronalen Netze mit rund 95 Prozent Genauigkeit erfüllen.

Um die Codas weitergehend zu analysieren und zum Beispiel andere KI-Modelle Hypothesen über die zugrunde liegende Grammatik und Syntax erstellen zu lassen, wollen die Initiatoren des CETI-Projekts nun eine extrem große Menge an zusätzlichen Trainingsdaten inklusive einer Beschreibung der Verhaltensweisen der beteiligten Tiere in einer offenen Datenbank sammeln.

Mehr dazu lesen Sie in der neuen Ausgabe 2/2022 von MIT Technology Review (im heise shop bestellbar und im Zeitschriftenhandel erhältlich).

(jle)