Rote Zahlen und kein Ende: Neuer Infineon-Chef zieht die Notbremse

Infineon-Chef Peter Bauer hat dem Konzern einen rigiden Sparkurs verordnet. Ob die Probleme damit aus der Welt sind, ist fraglich, denn auch in den Kerngeschäftsfeldern mit Mobilfunkchips und Chips für die Autoindustrie wird es zunehmend schwieriger.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 65 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Michael Friedrich
  • Daniel Schnettler
  • dpa

Infineon kommt nicht aus den roten Zahlen. Allein im laufenden Geschäftsjahr fielen durch hohe Abschreibungen bei der defizitären Speicherchiptochter Qimonda Verluste von mehr als 2,3 Milliarden Euro an. Am Freitag zog der neue Infineon-Chef Peter Bauer nun die Notbremse. Er verordnete dem Unternehmen einen rigiden Sparkurs und will weltweit 3000 von 30.000 Arbeitsplätzen streichen. "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen", sagte er bei einer Telefonkonferenz. Der Stellenabbau sei nicht zu vermeiden. Ob die Probleme damit allerdings aus der Welt sind, ist fraglich, denn auch in den Kerngeschäftsfeldern mit Mobilfunkchips und Chips für die Autoindustrie wird es zunehmend schwieriger.

Dass Bauer Einsparungen plant, hatte er bereits nach dem desolaten zweiten Quartal klargemacht. Dass er aber so hart zupacken würde, überraschte dann selbst die Gewerkschafter, die derzeit ohnehin einigen Kummer gewohnt sind. "Das ist für uns ein Schock. Mit dieser Größenordnung haben wir nicht gerechnet", sagte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Infineon, Gerd Schmidt, der Welt (Samstagsausgabe). "Das ist für die Belegschaft kaum mehr aushaltbar." Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer klang fast schon resigniert: "Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwelche Schreckensmeldungen über den Ticker laufen." Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende kündigte Widerstand gegen die Pläne an. "Wir werden uns rechtlichen Beistand holen." Protestkundgebungen und Arbeitsniederlegungen seien möglich.

Bauer hatte erst Anfang Juni den Chefsessel bei Infineon übernommen. Sein Vorgänger Wolfgang Ziebart hatte vor allem wegen der desolaten Lage bei der defizitären Speicherchip-Tochter Qimonda seinen Hut genommen. Der Konzern hält nach wie vor 77,5 Prozent an Qimonda, will den Klotz am Bein aber so rasch wie möglich loswerden. Derzeit liefen Verhandlungen über einen Verkauf, bekräftigte Bauer am Freitag. Notfalls werde Infineon die Qimonda-Papiere, die rapide an Wert verlieren, aber an die Aktionäre verschenken. "Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, Qimonda von Infineon zu entkoppeln."

Doch nicht nur die ungeliebte Tochter Qimonda, die angesichts eingebrochener Preise für Speicherchips seit fünf Quartalen hohe Verluste schreibt, macht Infineon zu schaffen. Auch im Kerngeschäft mit Bauteilen für Kommunikationsgeräte auf der einen und mit Steuerungschips für Autos und Industrieanwendungen auf der anderen Seite ist es zuletzt unrund gelaufen. Bei den Handy-Chips hatten Produktionsstarts das Ergebnis belastet, bei den Autochips war es der eingebrochene Markt für schwere Geländewagen in den USA. "In Kleinwagen stecken einfach weniger Halbleiter", sagte Bauer.

Die Börsianer zeigten sich nach anfänglicher Skepsis zufrieden mit dem harten Durchgreifen Bauers. Das Infineon-Papier notiert derzeit nahe am Allzeit-Tief, gewann im Laufe des Freitagnachmittags aber immerhin rund 4 Prozent auf mehr als 5 Euro hinzu. Für Anleger, die zu Zeiten der New Economy bei Preisen von mehr als 80 Euro eingestiegen sind, aber nur ein schwacher Trost. Sie sind neben den Mitarbeitern die Leidtragenden des Infineon-Desasters – der Konzern hat erst einmal seit seinem Börsengang 2000 einen kleinen Gewinn erzielt.

"Es ist nicht das erste Mal, dass Infineon den Rotstift angesetzt hat", kommentierte Oana Floares von der SEB Bank, "dennoch ist es ein Schritt in die richtige Richtung." Allerdings glaubt Analystin Floares nicht daran, dass die Streichung von Arbeitsplätzen das Vertrauen der Investoren in die Aktie merklich stärkt. Denn die "Halbleiterei", wie Bauer das Geschäft nennt, ist erheblichen Schwankungen unterworfen. Auf die Frage, wann sich die Lage bei Infineon denn endlich einmal beruhigen werde, bemerkte Bauer lediglich: "Ruhig wird es nie. Wenn man es ruhig haben will, sollte man nicht ins Halbleitergeschäft gehen." (Michael Friedrich, dpa und Daniel Schnettler, dpa-AFX) / (pmz)