Russland entwickelt Prozessoren fĂĽr staatlich eingesetzte Systeme
Der russische Staat will auf PCs und Mikro-Server umschwenken, die einen im eigenen Land entwickelten Prozessor mit ARM-Kern enthalten.
Das russische Industrie- und Handelsministerium will in Zukunft auf Systeme setzen, die im eigenen Land hergestellte Prozessoren mit ARM-Kern enthalten. Diese PCs und Mikro-Server sollen eine Linux-Distribution als Betriebssystem verwenden und offenbar mittelfristig Systeme mit Prozessoren von AMD und Intel ersetzen. Das geht aus einem russischen Bericht der Zeitung Kommersant hervor; auf den beruft sich auch ein englischer Bericht der ITAR-TASS, der zentralen staatlichen Nachrichtenagentur Russlands.
Der russische Prozessor soll Baikal heißen und auf dem Cortex A-57 basieren. Dieser 64-Bit-SoC (System on Chip) mit ARMv8-Kern ist das schnellste Prozessor-Design, das die britische Mikroprozessor-Schmiede ARM Holdings derzeit im Angebot hat. Anders als die amerikanischen Prozessorhersteller AMD und Intel fertigt die Firma selbst keine Prozessoren, sondern verdient ihr Geld mit dem Verkauf von IP-Cores – also modularen Designs zum Bau von Prozessoren. Unternehmen können dieses ARM-Know-How lizenzieren und mit anderen IP-Cores koppeln, um so mit überschaubaren Aufwand Prozessoren zu entwickeln, die sie bei einem Auftragsfertiger bauen lassen.
Das schafft Flexibilität, daher stecken auch in den meisten Tablets, Smartphones und Embedded-Systemen Prozessoren mit ARM-Kern. Zudem bekommen Unternehmen so viel mehr Einblick und Kontrolle über die Funktionsweise ihres Prozessors. Das dürfte der Hauptgrund sein, warum das russischen Industrie- und Handelsministerium scharf auf die Prozessoren ist, denn nicht erst seit den Snowden-Enthüllungen wird über Hintertüren in den Bausteinen von AMD und Intel spekuliert.
Es soll zwei Varianten des Baikal geben: sie sollen Anfang 2015 erscheinen, mit 2Â GhZ laufen, acht Kerne enthalten und in einem 28-nm-Prozess hergestellt werden; Ende 2016 soll ein 16-Kerner folgen. Entwickelt werden die Prozessoren durch eine "Baikal Electronics" genannte Tochtergesellschaft der russischen Firma T-Platforms, die auch ein BĂĽro in Deutschland hat und bislang vornehmlich durch Hardware fĂĽr Supercomputer bekannt ist. Zudem sollen staatlich gelenkte Unternehmen bei der Finanzierung von Baikal Electronics involviert sein.
Die beiden Baikal-Varianten sollen in PCs und Micro-Servern zum Einsatz kommen, die für Behörden und vom Staat betriebene Firmen gedacht sind. Solche schaffen laut dem Kommersant-Bericht derzeit jährlich rund 700 000 PCs und 300 000 Server mit einem Marktwert von zusammen 1,3 Milliarden US-Dollar an. Der Bericht liefert keine Angaben, welche Linux-Distributionen die Baikal-Systeme nutzen sollen; im staatlichen Bereich setzt das Land bereits seit Ende 2010 verstärkt auf Linux. (thl)