"Ruwiki": Kreml-treue Wikipedia-Alternative aus Russland beendet Beta-Test

Die Wikipedia ist eine der letzten freien Informationsquellen in Russland. Seit vergangenem Sommer gibt es mit "Ruwiki" eine Alternative ohne Regierungskritik.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 44 Kommentare lesen
Der Kreml

(Bild: Viacheslav Lopatin/Shutterstock.com)

Lesezeit: 2 Min.

Die regierungsfreundliche russische Wikipedia-Alternative Ruwiki (РУВИКИ) hat ihren Beta-Test beendet, ein entsprechender Hinweis ist nun verschwunden. Die komplette und fertige Seite soll noch in diesem Jahr verfügbar gemacht werden, berichtet die russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die Verantwortlichen. Einem Hinweis auf der Startseite von Ruwiki zufolge gibt es dort bereits jetzt mit 1,95 Millionen Artikeln über 100.000 mehr als im russischsprachigen Teil von Wikipedia. Geleitet wird die Entwicklung der Alternative vom ehemaligen Chef von Wikimedia Russland, Wladimir Medeiko. Als Basis dienten angeblich Kopien aller mehr als 1,8 Millionen russischen Wikipedia-Artikel.

Das jetzt auf den Tag genau 23 Jahre nach der Geburt von Wikipedia freigegebene Portal ist als Konkurrenz zu einer der letzten freien Informationsquellen in Russland gedacht. Zwar wurde der Online-Enzyklopädie Wikipedia mehrfach mit einer Blockade gedroht – zuletzt nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Anfang 2022 –, aber noch ist die Seite größtenteils zugänglich. Gegenwärtig gelten in Russland zwar zahlreiche Artikel als gesetzeswidrig, wegen der HTTPS-Verschlüsselung können einzelne Artikel aber nicht blockiert werden. Aus den kopierten Wikipedia-Artikeln in Ruwiki wurden derweil offenbar alle Informationen entfernt, die der offiziellen Linie des Kreml widersprechen. Im Artikel zur Ukraine etwa gibt es lediglich einen kurzen Verweis auf eine dort stattfindende "spezielle Militäroperation" Russlands.

Wenn das Portal irgendwann im Laufe des Jahres fertig ist, soll Ruwiki laut Tass personalisierte Inhalte, thematische Kollektionen, Sprachausgaben von Artikeln, Videos und Podcasts enthalten. Gegenüber dem Telegraph hatte Ruwiki-Chef Medeiko behauptet, dass die Seite "strikte Anforderungen an die Qualität der Quellen und unmissverständliche Formulierungen zu aktuellen Ereignissen" habe. Wikipedia sei im Zuge der Eskalation in der Ukraine unter beispiellosen Druck geraten und die dortigen Mechanismen würden nicht gut funktionieren. Die von Freiwilligen befüllte Enzyklopädie war mehrfach zu Strafzahlungen verurteilt worden, weil kritisierte Inhalte nicht entfernt wurden. Sobald es eine Kreml-treue Alternative gibt, könnte das Vorbild doch noch ganz gesperrt werden.

Update

Der Zugriff auf einzelne Wikipedia-Artikel kann nicht gezielt blockiert werden. Das wurde korrigiert.

(mho)