SAP: Rückzug aus Russland dauert länger als gedacht, Geschäft legt unerwartet zu
Eigentlich wollte sich SAP bis zum Jahresende komplett aus Russland zurückgezogen haben. Das wird nicht klappen. Derweil läuft das Geschäft besser als erwartet.
Der deutsche Softwarekonzern SAP wird Russland nicht wie geplant bis zum Jahresende verlassen können. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf interne Quellen. Grund sind demnach vertragliche Verpflichtungen und Schwierigkeiten, einen Käufer für das Geschäft in dem Land zu finden. Wartungsverträge für SAP-Software seien derweil im September automatisch um ein Jahr verlängert worden. Insgesamt hat der Konzern die Belegschaft in dem Land demnach aber deutlich reduziert, von insgesamt 1250 Angestellten sollen bis Jahresende weniger als 100 verbleiben. SAP hatte den Abschied aus dem Land nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine angekündigt.
Gar nicht so leichter Abschied
Wenige Wochen nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat SAP am 2. März den Verkauf aller Produkte in Russland und dem verbündeten Weißrussland eingestellt. Am 24. März hat der Konzern dann auch angekündigt, den Cloud-Betrieb in Russland beenden zu wollen. Später war öffentlich geworden, dass SAP Kunden in dem Land vor die Wahl gestellt hatte, Daten zu übergeben, auf ausländische Server zu verschieben oder zu löschen. Kritik daran hat es aus der Ukraine gegeben. SAP hat damals erklärt, die in den eigenen Rechenzentren gespeicherten Daten gehörten den Kunden und könnten nicht einfach gelöscht werden. Man stehe zu dem Rückzug aus Russland nach mehr als 30 Jahren Geschäftstätigkeit dort.
Jetzt wird nun deutlich, welche Schwierigkeiten des dabei gibt. So erklärt Reuters, dass SAP die Wartungsverträge weiterhin erfüllen muss, um keine rechtlichen Risiken einzugehen. Die dortigen Manager:innen von SAP könnten andernfalls persönlich für Vertragsverletzungen belangt werden, hätten mehrere anonyme Quellen versichert. Hinzu komme, dass in Russland über Gesetzespläne diskutiert werde, denen zufolge auch Verantwortliche für die Umsetzung von Sanktionen rechtlich belangt werden können. SAP hat demnach versichert, dass die Zusammenarbeit mit sanktionierten Firmen beendet worden sei. Schon der bisherige Rückzug aus Russland habe weitgehende Folgen für die Wirtschaft des Landes, schreibt Reuters.
Die Schwierigkeiten beim Rückzug aus Russland sind kurz vor der Veröffentlichung der Quartalszahlen publik geworden. Dank des schwachen Euro ist der Konzern demnach besser durch das dritte Quartal gekommen als erwartet. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag mit 2,1 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau, wie SAP jetzt mitteilte. Bereinigt um Wechselkurseinflüsse wäre das operative Ergebnis dagegen um 8 Prozent gefallen. Der Umsatz legte insgesamt um 15 Prozent auf 7,84 Milliarden Euro zu – zwei Drittel des Zuwachses kamen aus Währungseffekten. Der Rückzug aus Russland und Belarus hat SAP im dritten Quartal auch nur noch 20 Millionen Euro gekostet, insgesamt soll der 300 Millionen Euro kosten. Im Juli war noch von 350 Millionen Euro die Rede.
(mho)