SCO vs. Linux: Frisches Geld mit frischen Klagen

Die beiden heute veröffentlichten Klagen hatten keine stützende Auswirkungen auf den absackenden Kurs der SCO-Aktie, weil das Unternehmen neue Finanzdaten bekannt gegeben hat.

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Von
  • Detlef Borchers

Wie heute bereits gemeldet, hat die SCO Group zwei prominente Linux-Anwender verklagt, jedoch aus unterschiedlichen Gründen, die wenig damit zu tun haben, dass in den Firmen Linux eingesetzt wird. Vielmehr hat sich die SCO Group an die eigenen Kunden gehalten und ihnen Vertragsverletzungen vorgeworfen, die abseits der bereits laufenden Klagen gegen IBM (Verletzung von Copyrights, der Vorwurf der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen wurde fallen gelassen) und Novell (Urheberschaft am Unix-Erbe) liegen. Mit beiden Klagen hat SCO jedoch den Effekt erreicht, dass in den allgemeinen Presseberichten der Tenor entstanden ist, dass Linux-Anwender nun in Gefahr seien. Stützende Auswirkungen auf den absackenden Aktien-Kurs hatten die Veröffentlichungen der Klagen jedoch nicht, weil SCO gleichzeitig neue Finanzdaten bekannt gab, nach denen die Verluste im ersten Quartal gestiegen sind.

In der Klage gegen die Firma Autozone, größter Autoteile-Händler in den USA, geht es um eine Reihe von SCO-Bibliotheken (shared libraries), die Autozone beim Wechsel von SCO-Software zu Linux eingesetzt haben soll. Dieser Auffassung von SCO hatte der zuständige Projektleiter bei Autozone, Jim Greer, bereits Mitte Februar mit einer Nachricht auf Groklaw widersprochen. Seiner Darstellung nach wurde beim Wechseln des Betriebssystems mit Bibliotheken gearbeitet, die von Autozone selbst entwickelt worden waren. Autozone habe sich nicht auf kompliziertere Funktionen des zu Grunde liegenden Systems verlassen, sondern selbst entwickelt. Das sei auch der Grund, warum der Übergang so nahtlos vonstatten ging, so Greer. Sein Widerspruch erfolgte nach der Veröffentlichung von Details aus der vor Gericht geführten Klage von SCO gegen IBM, in der der einfache Wechsel von Autozone erwähnt wird. In der Klage von SCO heißt es: "Die Basis für diese Annahme von SCO ist die Präzision und Effizienz, mit der der Wechsel auf Linux durchgeführt wurde, welche nahelegt, das Shared Libraries benutzt wurden, damit alte Anwendungen unter Linux laufen konnten."

In der Klage gegen DaimlerChrysler, die nicht in Stuttgart, sondern am Zweitsitz des Konzerns im US-Staate Michigan eingereicht worden ist, geht es ebenfalls nicht um Linux. Vielmehr sieht SCO eine Verletzung der Auskunftspflicht des Automobilbauers, der einmal Referenzkunde der Firma war. Im Dezember hatte SCO alle Kunden angeschrieben und zur Auskunft verpflichtet. In dem Brief wurden die Kunden dazu aufgefordert, eine schriftliche Erklärung abzugeben, dass kein Angestellter oder Subunternehmer jemals Unix-Code in die Linux-Entwicklung überführt habe. Da eine solche Auskunft DaimlerChryslers nicht eingetroffen sei, habe man den Konzern verklagen müssen, um feststellen zu können, ob er gegen die Linzenzanforderungen verstoße, so Darl McBride auf der Telefonkonferenz zu den Finanzdaten des ersten Quartals.

Die heutige SCO-Konferenz fand unmittelbar nach Bekanntgabe der Klage gegen DaimlerChrysler statt. Auf dieser Konferenz wurde nicht nur ein Nettoverlust von 2,3 Millionen US-Dollar im ersten Quartal bekannt gegeben (gegenüber 724.000 US-Dollar im Vergleichsquartal des Vorjahres). Auch das Geschäft mit den Linux-Lizenzen hatte nach Auskunft von SCO im ersten Quartal noch nicht den erwünschten Erfolg: Einnahmen von 20.000 US-Dollar stehen Ausgaben von 3,4 Millionen US-Dollar im gleichen Quartal gegenüber. Der Umsatz betrug 11,39 Millionen US-Dollar gegenüber 13,54 Millionen vor einem Jahr.

Ein Teil der Fragen von skeptischen Finanzanalysten wurde von SCO-Chef Darl McBride mit dem Hinweis nicht beantwortet, dass er auf gerichtliche Anordnung von Richterin Brooke Wells sich nicht zum IBM-Verfahren äußern dürfe. Diese Anordnung ist bisher weder vom Gericht noch durch die Aktivisten von Groklaw veröffentlicht worden.

Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe den Artikel auf c't aktuell (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online und aus Technology Review und der c't):

(Detlef Borchers) / (anw)