SCO vs. Linux: Von Stämmen, Zweigen und Blättern

In der Auseinandersetzung zwischen Novell und SCO über Zahlungen, die Novell als Copyright-Inhaber des Unix-Codes nach einer Entscheidung des verhandelnden Gerichts zustehen, versucht SCO die Entwicklungsgeschichte von Unix neu zu schreiben.

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Von
  • Detlef Borchers

In der Auseinandersetzung zwischen Novell und SCO über Zahlungen, die Novell als Copyright-Inhaber des Unix-Codes nach einer Entscheidung des Gerichts zustehen, versucht SCO in der laufenden Gerichtsverhandlung die Entwicklungsgeschichte von Unix neu zu schreiben: Aus einem mächtigen Stamm namens System V Release x (SVRX) würden Zweige wie UnixWare wachsen. Die Blätter seien Firmen wie Microsoft und Sun, die Millionen für den Software-Zweig bezahlen, von denen dem Stamm und damit Novell aber kein Cent zustehe.

Während die Verhandlung über die Höhe der Novell zustehenden Zahlungen fortschreitet, haben die unermüdlichen Prozessbeobachter von Groklaw damit begonnen, die Gerichtsprotokolle der ersten Verhandlungstage zu veröffentlichen. Nach mehr als fünf Jahren kommt mit der Aussage von SCO-CEO Darl McBride Licht in die dunkle Vorgeschichte der verschiedenen Anstrengungen der SCO Group, von anderen Firmen unter dem Titel "SCOSource" Lizenzgebühren für den Einsatz von Linux zu verlangen. Nach Angaben von McBride wurde er vom damaligen Caldera-Mitarbeiter und Samba-Spezialisten 7Ejht/John Terpstra darauf aufmerksam gemacht, dass Unix-Code in Linux vorhanden sein soll. Kein geringerer als IBMs Top-Manager Steven Solazzo soll McBride daraufhin ermutigt haben, alle Firmen zu verklagen, die für diesen Linux-Schlamassel verantwortlich sind.

Im Gegensatz zu seinen Ausführungen über den Prolog der unendlichen Geschichte konnte McBride zum verhandelten Thema weniger überzeugende Aussagen machen. Er argumentierte, dass die Millionen, die vor allem von Sun und Microsoft für Lizenzen an SCO gezahlt wurden, sich auf UnixWare bezogen und damit auf einen Software-Zweig, an dem "Stamm-Inhaber"-Novell keine Verwertungsrechte mehr habe. Allerdings musste McBride auf Nachfragen des Novell-Rechtsanwaltes zugeben, dass die Einnahmen aus den Geschäften mit Sun und Microsoft in den Geschäftsberichten und Pflichtmeldungen für die Börsenaufsicht unter "SCOSource" und nicht unter "Einnahmen aus UnixWare-Geschäften" gebucht wurden. "Ich beziehe mich auf Dinge, die zum Stamm gehören und auf Dinge, die in dem Zweig stecken und dann mag es noch Dinge geben, die in den Blättern stecken. [...] Linux ist eine Nachbildung von unserem Unix, Punkt!"

Nach den dendrologischen Ausführungen von Darl McBride war es diesmal an Novell, mit einem Sourcecode-Vergleich zu antworten: Greg Jones zeigte anhand von Ausschnitten aus autpush.c und diskusg.c, dass Suns OpenSolaris Code aus dem alten Unix-Stamm enthält und damit Zahlungen an Novell fällig seien. Jones betonte dabei, dass Novell niemals einem Abkommen mit Sun zugestimmt hätte, welches es Sun ermöglicht, OpenSolaris in direkter Konkurrenz zum Novell-Produkt Suse Linux zu veröffentlichen.

Am dritten Tag der Verhandlung, von dem bislang nur die Berichte der Prozessbeobachter von Groklaw vorliegen, kamen weitere Details der Geschäftsstrategie von SCO zum Vorschein. Ausweislich einer präsentierten E-Mail wollte SCO mit dem Lizenzprogramm SCOSource "1500 Pinguine" in einem Raum im SCO-Hauptquartier Lindon zusammentreiben und sie dort mit dem Unix-Brandzeichen versehen. "Litigate:$$$" soll wörtlich in dem Geschäftsplan als Strategie aufgeführt sein. Für SCO bestritt der geschäftsführende Direktor Jeff Hunsaker, dass diese Formulierung als Drohung gegenüber Firmen verstanden werden könnte, die Linux einsetzen.

Zu den Entwicklungen in dem Streit, den SCO mit IBM, Novell und der Open-Source-Gemeinde um SCO-Rechte an Unix und angeblich unrechtmäßig in Linux übernommenen Code angezettelt hat, siehe den Online-Artikel in c't Hintergrund (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online, aus Technology Review und der c't):

(Detlef Borchers) / (pmz)