SIGINT: CCC will Politik Ausweg aus der Zensurdebatte liefern

Ziel des kleinen Ablegers Chaos Communication Congress war es, "dass Techniker mit Kulturschaffenden reden und mit Politikern". Mit der Hackerbewegung sei man "ein bisschen im Mainstream angekommen".

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 432 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Chaos Computer Club (CCC) will in der Debatte über Webseiten-Sperrungen unter dem Aufhänger der Bekämpfung von Kinderpornographie die Flinte noch nicht ins Korn werfen. Parallel zum Ausarbeiten technischer Gegenstrategien soll den Bundestagsabgeordneten ein Ausweg aus dem Gesetzesvorhaben geboten werden, mit dem die Politiker "ihr Gesicht wahren können", erklärte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn zum Abschluss der dreitägigen Hackerkonferenz SIGINT in Köln am gestrigen Sonntagabend gegenüber heise online. Die Volksvertreter sollen demnach ein verschärftes Vorgehen gegen die Betreiber kinderpornographischer Seiten und die strengere Strafverfolgung der eigentlichen Täter beschließen und im Gegenzug den heftig umkämpften Gesetzesentwurf beerdigen.

"Es hilft nichts, Sichtblockaden gegen Kinderpornographie im Internet aufzustellen", fasste Müller-Maguhn den Tenor der vorausgegangenen Diskussionen zusammen. Stattdessen müsse das Problem direkt an der Wurzel bekämpft werden. Um die gefürchtete unheilvolle "Einmischung der Politik in das Internet" durch das Aufsetzen einer beliebig verwendbaren Zensurinfrastruktur noch zu verhindern, habe der CCC daher seine "Hemmschwelle" überwunden und werde nun das Gespräch mit den Parteien im Umfeld der parlamentarischen Beratung des entsprechenden Regierungsentwurfs suchen. Die Abgeordneten müssten sich schließlich an der Lösung von Sachfragen messen lassen, nicht an der Beförderung symbolischer Politik.

Auf der SIGINT selbst trugen viele der 555 Besucher als sichtbares Zeichen des Protests schwarze T-Shirts mit dem Abbild von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und der Überschrift "Zensursula", da die CDU-Politikerin den Stein der Web-Blockaden unter enormen Kraftanstrengungen ins Rollen gebracht hatte. Ziel des kleinen Ablegers des jährlich zwischen den Jahren in Berlin stattfindenden Chaos Communication Congress war es gewesen, "dass Techniker mit Kulturschaffenden reden und mit Politikern", wie Mario Manno vom CCC bei der Abschlussveranstaltung sagte. Es sei darum gegangen, Meinungen zu verbreiten oder zumindest eine gemeinsame Wahrnehmung der Welt zu entwickeln einschließlich von Punkten, "wo es brennt". Von Politikern selbst hatten sich die Hacker etwa für ein Podium über Computerspiele aber Absagen eingehandelt und auch das Publikum konnte letztlich zur abgeordnetenfreien Zone erklärt werden. Zugesagt hatte aus der Konzernwelt dagegen ein Vertreter Googles für ein Datenschutz-Panel, erschien dann aber doch nicht.

Insgesamt wartete die erstmals vom CCC veranstaltete Tagung mit 90 Stunden Programm auf. Manno sprach daher vom "größten Hacker-Event in NRW", bei dem drei Paletten der bei den Freunden der schöpferisch-kritischen Auseinandersetzung mit der Technik besonders beliebten koffeinreichen Brause Club Mate sowie 450 der mit eben diesem Gebräu angereicherten Cocktails in Form von "Tschunks" bis sechs Uhr morgens getrunken worden seien. Darüber hinaus hätten die Hacker einen Aufzug in den Defekt getrieben, einen Beinahe-Brand verursacht und eine GSM-Empfangsbasis von Siemens "zerlegt". Trotz einer gut und weitgehend symmetrisch genutzten 155 MBit/s-Anbindung gab es zugleich im Unterschied zu den Berliner Chaos-Kongressen keine einzige verunstaltete oder verschönerte Webseite zu vermelden.

Für Manno ist so insgesamt klar, dass "wir mit der Hackerbewegung ein bisschen im Mainstream angekommen sind". Dabei zog er sogar eine Parallele zu der sonst von den Datenreisenden wenig geliebten Musikindustrie, da auch dahinter letztlich "Jugendliche mit der Gitarre" stünden, die "Werte und Ziele haben". Bei einer Umfrage im Publikum zu alternativen Vergütungsmodellen für Kreative hatten sich rund 99 Prozent der Anwesenden bereit erklärt, für eine "Kulturflatrate" zur rechtlichen Freigabe von Downloads aus Tauschbörsen eine Pauschale von fünf Euro pro Monat zu zahlen. Musiker und die Macher von Indie-Labels hatten dagegen Bedenken vor allem wegen der ihrer Ansicht nach kaum gerecht hinzubekommenden Verteilung der Einnahmen und plädierten eher für die Vorfinanzierung von Werken über die Nutzer etwa durch die Ausgabe von "Aktien", wie es die Kölner Band Angelika Express vorexerziert hat.

Siehe dazu auch:

(jk)