SIS II weiter in der Schwebe

Bei einem Treffen der EU-Innenminister wurde eine Klausel für den Ausstieg aus der zweiten Ausbaustufe des Schengen-Informationssystems beschlossen: Sollte SIS II in diesem Jahr in einem von zwei Testläufen nicht laufen, kann das Projekt gestoppt werden.

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Von
  • Detlef Borchers

Die EU-Innenminister haben bei ihrem Treffen im luxemburgischen Schengen diese Woche eine Klausel für den Ausstieg aus der zweiten Ausbaustufe des Schengen-Informationssystems (SIS II) beschlossen (PDF-Datei): Sollte SIS II in einem von zwei Testläufen (Milestones-Tests) noch in diesem Jahr nicht funktionieren, kann das Projekt gestoppt werden. Dieser vor allem von Deutschland und Österreich durchgesetzte Testbeschluss ist allerdings keine komplette Ausstiegsklausel. Die EU-Innenminister können innerhalb von zwei Monaten nach den Testläufen durch eine Mehrheitsentscheidung die Arbeit an SIS II fortsetzen lassen.

Bis SIS I+ oder SIS II arbeiten, helfen sich die Polizeibehörden mit gegenseitigen Abmachungen nach dem Vertrag von Prüm, der mittlerweile auch als "SIS III" geführt wird. Das Vertragswerk regelt jeweils zwischen zwei Ländern, wie biometrische Informationen (Fingerabrucke, DNA-Analysen) ausgetauscht werden. Ungeachtet der Arbeit an der Technik werden SIS I oder SIS II auch inhaltlich weiter ausgebaut. So veröffentlichte die polizeikritische Website EU-Police am Freitag ein Memorandum, das sich für die Aufnahme der Kategorie "violent troublemakers" in das Informationssystem ausspricht. Unter diesen Begriff sollen gewalttätige Demonstranten, aber auch Hooligans in den SIS-Beständen gespeichert werden.

SIS II sollte ursprünglich 2007 starten. Gegenüber SIS I soll das System vor allem um biometrische Suchfunktionen erweitert und mit moderner Datenbanktechnik ausgestattet werden. Falls die Testläufe erfolgreich verlaufen, dürfte das System frühestens Ende 2011 an den Start gehen. Vorwürfe, dass SIS II nicht funktioniere, hatte der Auftragnehmer Steria Mummert noch auf dem europäischen Polizeikongress gegenüber heise online dementiert. So enthält auch der neue Beschluss der EU-Innenminister zu den beiden Testläufen den Hinweis, dass beim Ausstieg aus SIS II Schadensersatzforderungen der Industrie in Höhe von mindestens 19 Millionen Euro zu erwarten sind.

Für SIS II wurden bislang 60 Millionen Euro ausgegeben, die in den Bau des zentralen Rechenzentrums in Straßburg und des Backup-Rechenzentrums im österreichischen St. Johann flossen, die mit Technik von Hewlett Packard arbeiten. Dabei sind die Kosten nicht berücksichtigt, die für die jeweiligen "LNI-Adapter" an die nationalen Datenbanksysteme (N-SIS II) der Mitgliedsstaaten fällig werden. In Deutschland ist Steria Mummert (PDF-Datei) Lieferant der so genannten Interconnection Box. Ein Untersuchungsbericht hatte ergeben, dass für diese Interface-Technik mindestens 26 Millionen veranschlagt werden müssen. Etwa diese Summe würde nach Schätzungen der Fachleute auch fällig werden, wenn SIS I so aufgerüstet wird, dass es mit biometrischen Daten umgehen kann. (Detlef Borchers) / (anw)