Sarkozy plant Medienrevolution

Das Internet verändert die Medienlandschaft. Diesen Wandel sollen nach den Plänen des französischen Präsidenten "starke Multimedia-Konzerne" gestalten. Dagegen regt sich Widerstand.

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Von
  • Hans-Hermann Nikolei
  • dpa

"Die französischen Medien stehen am Rande des Abgrunds", analysiert Präsident Nicolas Sarkozy. Wie ein Tsunami fegt das Internet die alten Strukturen hinweg. Den Zeitungen laufen die Leser und Anzeigenkunden weg, und selbst das Fernsehen verliert an die Computermedien. Zur Lösung des Problems plant Sarkozy eine umfassende Medienrevolution. "Starke Multimedia-Konzerne" sollen den Wandel gestalten. Die Gewerkschaften sehen vor allem einen Versuch, Sarkozys Verlegerfreunden mit einem Medienmonopoly zu lukrativen Geschäften zu verhelfen und die Presse weiter unter Kontrolle zu bekommen.

"Binnen 60 Jahren sind rund 100 Tageszeitungen verschwunden", klagt Kulturministerin Christine Albanel. Die Franzosen lesen halbso viel Zeitung wie die Deutschen. Um die Pressevielfalt zu sichern, stützt der Staat schon jetzt die Medien mit jährlich 283 Millionen Euro. Ohne Staatshilfe gäbe es Blätter wie die katholische La Croix und die kommunistische l'Humanité nicht mehr, aber auch die "großen" Zeitungen wären gefährdet. Der subventionierte Vertrieb ist so schlecht organisiert, dass der Axel Springer Konzern das Projekt einer französischen "Bild-Zeitung" kurz vor dem Start abbrach.

An diesem Donnerstag will Sarkozy die Medienrevolution auf den Weg bringen. Seine Mitstreiterin Danièle Giazzi hat dafür 34 Vorschläge ausgearbeitet. Von der Zeitung Libération über das Magazin Marianne bis zu neuen Internetmedien wie Mediapart sehen die Kritiker vor allem Kumpelwirtschaft. Denn Giazzi plädiert für die Schaffung "internationaler Champions" der Medienbranche. Die Gesetzeshürden für die Konzentration von Zeitungen, Fernsehen und Rundfunk in einer Hand sollen fallen.

Die Unternehmer, die solche Medienchampions aufbauen könnten, gehören alle zu Sarkozys Freundeskreis: Martin Bouygues, Vincent Bolloré, Arnaud Lagardère, Serge Dassault und Bernard Arnauld. Der Bauunternehmer und TV-Boss Bouygues ist ein Trauzeuge Sarkozys, genauso wie Arnault, der Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH und Finanzzeitungs-Verleger. Der EADS-Großaktionär und Großverleger Lagardère (Paris Match) nennt sich "Bruder" Sarkozys; sein Vater hatte ihn einst der Obhut des Vollblutpolitikers anvertraut. Der Flugzeugbauer Dassault steht als Figaro-Chef und Parteifunktionär an Sarkozys Seite. Und der Multi-Unternehmer Bolloré stellt dem Staatschef Privatjet und Jacht für den kostenlosen Luxusurlaub.

"Medienunternehmen müssen gedeihen können wie andere auch", sagt Giazzi und verweist dabei auf Rupert Murdochs weltumspannende News Corporation. "Murdoch kauft, was er kann." Das Gesetz gegen Medienkonzentration habe seinen Sinn verloren, denn das Internet verschmelze alle Medien. Die Journalistengewerkschaft SNJ-CGT nennt diese Argumentation "extrem gefährlich". "Die Welt des Geldes legt die Hand auf die Information." Giazzi hält dagegen: "Ohne Rentabilität gibt es weder Unabhängigkeit noch Qualität."

Proteste löst auch die geplante Reform der AFP aus. Die Gewerkschaften haben zwar nichts gegen zusätzliche Subventionen für die Internettechnik der Agentur, fürchten aber ihre Umwandlung in eine für Privatinvestoren offene Aktiengesellschaft. Das passe zum geplanten Verbot der Werbung im öffentlichen Fernsehen und zur Beschneidung der Autorenrechte der Journalisten: Es diene privaten Profitinteressen und gefährde die Pressefreiheit.

Giazzi schlägt vor, die Freiheit der Medien in der Verfassung zu verankern und zudem einen Wächter über den Pluralismus zu schaffen. Doch das kann die Kritiker nicht beruhigen. Denn der Medienwächter soll ausgerechnet beim Premierminister angesiedelt werden. Und Sarkozys Partei UMP hat mehrfach versucht, mit dem Argument des Pluralismus die Berichterstattung der AFP zu beeinflussen. Jetzt stehen erst einmal wochenlange Reformdebatten an, die "États généraux de la presse". Bis Weihnachten sollen die Grundzüge der Reform stehen. "Sarkozy hat den Mut, sich um die Modernisierung der Medien zu kümmern", sagt Giazzi. (Hans-Hermann Nikolei, dpa) / (anw)