Satellitenbetreiber SES gewinnt vor US-Gericht gegen Intelsat, sagt Fusion ab

Intelsat muss voraussichtlich 421 Millionen Dollar an SES abtreten. Die Fusion der beiden luxemburgischen Satellitenbetreiber ist geplatzt.

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Holzgebäude, an dem 8 Satellitenschüsseln angebracht sind; links ein Mast mit einer terrestrischen Antenne

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Update
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Inhaltsverzeichnis

Satellitenbetreiber Intelsat muss wohl 421 Millionen US-Dollar an seinen Konkurrenten SES abtreten. Das geht aus einer US-Gerichtsentscheidung vom Donnerstag hervor. Kurz darauf bestätigte Satellitenbetreiber SES, dass es die Verhandlungen über eine Fusion mit Intelsat abgebrochen hat.

[Update 28. 6. 2023 20:45 Uhr:] Intelsat hat heise online mitgeteilt, dass die Fusionsverhandlungen bereits kurz vor Eingang der Gerichtsentscheidung abgebrochen wurden. Demnach gäbe es dabei keinen Zusammenhang. Außerdem geht das Unternehmen davon aus, trotz der aktuellen Gerichtsentscheidung die 421 Millionen Dollar behalten zu können: "Intelsat erwartet nicht, dass der Konkursrichter seine Entscheidung irgendwie ändern wird." [/Update]

Seither erfreut sich der Kurs der SES-Aktien eines Aufwärtstrends. Nach einem deutlichen Kurssprung von über sieben Prozent am Donnerstag und relativ flachem Kursverlauf am Freitag ist es am Montag weiter bergauf gegangen. Das Schlusskurs vom Montag mit 5,33 Euro bedeutet ein Plus von 9,9 Prozent.

Ende März bestätigte Satellitenbetreiber SES, mit Intelsat über eine Fusion zu verhandeln. Damals legten SES-Aktien leicht auf 5,85 Euro zu – ein Kursniveau, dass die Aktie seit Mitte Mai nicht mehr gesehen hat. Ob es zu einer Einigung kommen werde, sei allerdings noch offen, sagte SES Ende März. Das ist eine übliche Feststellung, die wertpapierrechtliche Schwierigkeiten vermeiden hilft. Und tatsächlich sind die Verhandlungen der beiden in Luxemburg ansässigen Firmen nun gescheitert.

Hintergrund ist ein laufender Rechtsstreit um viel Geld, in dem sich das Blatt vergangene Woche zugunsten SES' gewandt hat. Beide Firmen hielten wertvolle US-Frequenzrechte im sogenannten C-Band. Die US-Regulierungsbehörde FCC hat diese Frequenzen für 5G-Mobilfunk umgewidmet, wofür den Satellitenbetreibern Ausgleichszahlungen zustehen. Umfehdet war vor allem die Methode, mit der die Höhe dieser Zahlungen bestimmt werden sollte.

Im September 2018 schlossen Intelsat und SES einen Konsortialvertrag; gemeinsam wollten sie ihre Frequenzrechte möglichst teuer verwerten, und den Erlös 50:50 teilen (nach Abzug von Kosten und Anteilen einiger anderer, kleinerer Frequenzrechteinhaber). Zwar gelang es den Unternehmen nicht, ihre gewünschte Verwertungsmethode bei der FCC durchzusetzen, aber auch die von der FCC schließlich gewählte Vorgehensweise brachte einen Geldregen von insgesamt 9,7 Milliarden Dollar: 4,866 Milliarden Dollar für Intelsat, 3,968 Milliarden Dollar für SES und 867 Millionen Dollar für Dritte.

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SES pochte auf die Vereinbarung, wonach der Erlös 50:50 zu teilen sei, und forderte (nach Abzug von Kosten) 421 Millionen Dollar. Intelsat, das zwischenzeitlich Gläubigerschutz beantragt hatte, wollte davon nichts wissen: Weil die FCC eine andere Verwertungsmethode gewählt hat, sei der Konsortialvertrag hinfällig. Dem schloss sich auch das zuständige Bundeskonkursgericht im US-Staat Virginia an. SES berief. Mit Erfolg.

Denn das Konkursgericht hat einen "klaren Fehler" begangen, sagt das Bundesbezirksgericht für das östliche Virginia in seiner Berufungsentscheidung (SES Americom v Intelsat US, Eastern District of Virginia, 3:22-cv-668). Das ist eine eher seltene Feststellung. Der Konsortialvertrag sei entgegen der vorangegangenen Entscheidung unklar; daher hätte das Konkursgericht zur Auslegung des Konsortialvertrages weitere, von SES vorgelegte Beweise sichten müssen. Und diese würden deutlich zeigen, dass beide Parteien auch nach der FCC-Entscheidung ihr Konsortium fortgeführt und Ausgaben 50:50 geteilt haben. Gegenüber Investoren sprach Intelsat weiter von einer 50:50-Teilung. Erst als die FCC einen Bescheidentwurf ausgearbeitet hatte, der ebenfalls eine 50:50-Teilung zwischen den beiden Partnern vorsah, verlangte Intelsat einen größeren Anteil.

Doch hat SES umfangreiche Beweise vorgelegt, die gegen Intelsats Forderung sprechen. Diese muss das Bundeskonkursgericht jetzt berücksichtigen und seine Entscheidung entsprechend ändern. Damit winken SES 421 Millionen Dollar.

Darüber hinaus gehende Forderungen SES' wegen ungerechtfertigter Bereicherung seien nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht des US-Bundesstaates New York allerdings unzulässig. In diesem Punkt bestätigt das Bundesbezirksgericht die vorangegangene Entscheidung des Bundeskonkursgerichtes. SES wollte zusätzlich zur geschuldeten Zahlung weitere 1,35 Milliarden Dollar Strafschadenersatz.

Die Entscheidung trifft Intelsat, das inzwischen nicht mehr unter Gläubigerschutz steht, doppelt. Einerseits braucht die Firma jeden Dollar, um wieder auf die Beine zu kommen. Das vergangene Jahrzehnt war von deutlichen Umsatzrückgängen und gegen Ende des Jahrzehnts herben Verlusten geprägt. Die ursprünglichen Aktionäre wurden im Insolvenzverfahren bereits enteignet. Andererseits ist der Firmenwert jetzt um 421 Millionen Dollar plus Spesen geringer, was Intelsat für potenzielle Käufer weniger attraktiv macht. Landsmann SES hat bereits die Reißleine gezogen.

SES betreibt über 70 Satelliten und betont, der einzige Satellitenbetreiber mit Erdtrabanten in unterschiedlichen Umlaufbahnen zu sein: Neben geostationären Satelliten (GEO) in rund 36.000 Kilometern Höhe betreibt SES auch die O3b-Flotte in einer mittleren Umlaufbahn (MEO) in etwa 8.000 Kilometern Höhe. Intelsat hat über 50 Satelliten in geostationären Orbits und möchte ab 2027 ein Netz aus Erdtrabanten in mittleren Umlaufbahnen aufbauen.

[Update 27.6.2023 20:37 Uhr: Einmal Millionen zu Milliarden korrigiert.]

(ds)