Schleswig-Holsteins Börsenstar verglüht – Micrologica vor der Pleite

Die nächste Pleite am Neuen Markt deutet sich an. Mit der Micrologica AG aus dem schleswig-holsteinischen Bargteheide trifft es einen der Oldies am Neuen Markt.

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Von
  • Eckart Gienke
  • dpa

Die nächste Pleite am Neuen Markt deutet sich an. Mit der Micrologica AG aus dem schleswig-holsteinischen Bargteheide trifft es einen der Oldies am Neuen Markt, einen ehemaligen Börsenstar und dazu einen der ganz wenigen, den das nördlichste Bundesland überhaupt je hervorgebracht hat. Der Software-Anbieter hatte am Mittwoch die bevorstehende Zahlungsunfähigkeit angekündigt. "Schwere Managementfehler" machte ein Sprecher der DG Bank in Frankfurt als Ursache aus.

Micrologica kam bereits im September 1998 zu einem Kurs von 49 DM an den Neuen Markt. "Das war vor dem großen Hype und alle haben sich das Unternehmen genau angesehen", heißt es bei der DG Bank, die damals Konsortialführer war, aber in den vergangenen Monaten von der Aktie abgeraten hat. Die Story des Unternehmens aus dem Kreis Stormarn war genau richtig, um bei Anlegern Begeisterung auszulösen: Die Bargteheider entwickeln Software, mit der Computer und Telefon zusammengeführt werden, zum Beispiel in Call-Centern. Ein kleines Unternehmen als Technologieführer im Schnittpunkt der beiden Zukunftsbranchen schlechthin - das hörte sich an wie eine gewaltige Chance auf Wachstum und Kursgewinne.

Zudem hatte Micrologica 20 Jahre Erfahrung auf dem Markt: Vorstandschef Kurt Kuhn hatte das Unternehmen bereits 1978 als Computerfirma gegründet. Euphorisch griffen die Anleger zu und der Kurs kletterte zu Beginn des Jahres 1999 auf mehr als 130 Euro – das Fünffache des Ausgabekurses oder, anders gesagt, 400 Prozent Gewinn in vier Monaten. Das war damals noch ziemlich ungewöhnlich und die Börse jubelte.

Doch seitdem ging es bergab. Kuhn wollte international expandieren, und der Börsengang hatte ihm 30 Millionen DM in die Kasse gespült. Zum Ausbau der internationalen Geschäfte war der Software-Tüftler Kuhn nicht der richtige Mann, und er fand auch nicht das richtige Management. So wechselten in schneller Folge die Vorstandschefs einander ab, das Geld zerrann zwischen den Fingern und am Ende waren die Verluste höher als der Umsatz. In ihrem besten Jahr 1999 erreichte die Firma gerade einmal 18 Millionen Euro Umsatz und beschäftigte 150 Mitarbeiter.

Bis zuletzt hatte Micrologica Zuversicht verbreitet und noch Mitte Februar die gelungene Ertragswende gefeiert und die Gewinnschwelle bis zum Herbst dieses Jahres angekündigt. Am Mittwoch nach Börsenschluss kam dann die Stunde der Wahrheit: Zahlungsunfähigkeit, wenn nicht Rettung in letzter Sekunde kommt. "Wir reden mit strategischen Investoren", sagte Unternehmenssprecherin Petra Bruns. Angeblich soll ein zugesagter und gefährdeter Kredit von zwei Millionen Euro doch noch fließen, wenn ein Investor gefunden wird.

Der Handel an der Börse ging am Donnerstag weiter, weil alle Anleger den gleichen Informationsstand hatten, und er führte zu neuen Tiefstständen von knapp über einem Euro. In den einschlägigen Finanz- Foren im Internet war das übliche Heulen und Zähneklappern zu hören: "Ich bin ein ziemliches Rindvieh", bekennt ein Anleger bei "ariva.de". "Meine Investition beträgt 16.000 Euro, das ist so ziemlich alles, was ich hatte." Ein anderer ist ganz cool: "Heute ist sowas noch ne große Sensation", postet er ins Forum. "Im 4. Quartal wird das etwas ganz Alltägliches sein. An ein bis zwei Pleiten pro Woche werden wir uns gewöhnen müssen." (Eckart Gienke, dpa) / ()