Schwarz-rote Koalition will zweijährige Probezeit einführen

Die Union konnte sich mit ihrer Forderung nach einer Lockerung des Kündigungsschutzes durchsetzen; Gewerkschaften protestieren, Industrieverbände auch aus der IT-Branche jubilieren.

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Die Einigung im Streit um die Einführung einer zweijährigen Probezeit kam schneller als erwartet: Der gesetzliche Kündigungsschutz soll künftig bei Neueinstellungen erst nach 24 Monaten greifen. Dies vereinbarten die Verhandlungspartner in der heißen Phase der schwarz-roten Koalitionsvereinbarungen. Insbesondere die Union hatte sich für diese Lockerung der gesetzlichen Arbeitsregelungen ausgesprochen. "Wir sind damit an einem ganz entscheidenden Punkt weitergekommen", sieht Unions-Fraktionsvize Ronald Pofalla den künftigen Regierungsblock nun in gutem Fahrwasser. Die SPD muss dagegen in den sauren Apfel beißen. Sie konnte allein erreichen, dass die Möglichkeiten zur allgemeinen Befristung von Arbeitsverträgen eingeschränkt werden sollen.

Der designierte SPD-Chef Matthias Platzeck hatte im Vorfeld der Einigung noch zum Ausdruck gebracht, dass weniger Kündigungsschutz seiner Ansicht nach nicht mehr Arbeitsplätze schaffe. Der arbeitsmarktpolische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Klaus Brandner, räumte nach der Bekanntgabe der Übereinkunft ein, dass man habe "Federn lassen müssen". Der Wille, eine große Koalition zu bilden, sei stärker gewesen als die Verteidigung der Blockadehaltung bei weiteren Lockerungen des Kündigungsschutzes.

Dem IT-Branchenverband Bitkom kommt der vorgesehene "Bürokatie-Abbau" im Arbeitsrecht entgegen. Er hatte ihn in einem Strategiepapier als Voraussetzung dafür bezeichnet, dass die schnelllebige Hightech-Industrie Wachstumsimpulse auch in Beschäftigung umsetzen könne. Unterstützung erhalten die Koalitionspartner ferner von den "Fünf Wirtschaftsweisen". Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung empfahl der künftigen Bundesregierung bei der Vorlage seines Jahresgutachtens am heutigen Mittwoch unter anderem, den Kündigungsschutz zu lockern und die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I auf zwölf Monate zu beschränken. Wirtschaftsverbände sehen sich dadurch in ihrer Haltung bestätigt: "Das Gutachten des Rates könnte Blaupause für den Koalitionsvertrag sein", findet Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Mit ganz oben auf der politischen Agenda müsse eine "Flexibilisierung" des Kündigungsschutzes stehen.

Scharfe Kritik kommt dagegen von ver.di. "Die Einführung einer zweijährigen Probezeit wäre aus unserer Sicht nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich", erklärte ein Sprecher der Bundesverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft gegenüber heise online. Menschen, die über zwei Jahre jeden Monat erneut zittern müssten, ob sie ihren Job behalten, würden zutiefst verunsichert. "Sie werden das Geld, das sie bei ihrer neuen Arbeit verdienen, eher zurücklegen als ausgeben", glaubt der Sprecher. Dringend notwendige Impulse für die Binnenkonjunktur würden so ausbleiben. Außerdem könnten Betriebe, die Sorge hatten, ihre Auftragsbücher würden eine dauerhafte Einstellung nicht zulassen, schon bisher zunächst befristet einstellen. Eine Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt habe das aber nicht gebracht. Auch Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen, warnt vor den psychologischen Folgen einer zweijährigen Probezeit: Nach einer halbjährigen Beschnupperungsphase sollte ein Arbeitgeber seiner Meinung nach wissen, ob der neue Beschäftigte zum Unternehmen passe. (Stefan Krempl) / (jk)