Schwere Bedenken im Bundesrat gegen EU-Fluggastdatensammlung

Fachausschüssen der Länderkammer zufolge stehen dem Vorhaben der EU-Kommission zum Aufbau eines eigenen Systems zur 13-jährigen Speicherung von Flugpassagierdaten gewichtige Bedenken entgegen.

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Fachausschüssen des Bundesrats zufolge stehen dem heftig umstrittenen Vorhaben der EU-Kommission zum Aufbau eines eigenen Systems Auswertung von Flugpassagierdaten gewichtige Bedenken entgegen. Die entsprechenden Empfehlungen (PDF-Datei) vor allem der Europa- und Rechtspolitiker für eine Stellungnahme der Länderkammer in anderthalb Wochen lesen sich streckenweise wie ein Verriss des Gesetzesentwurfs aus Brüssel. Die Kommission habe es verabsäumt, überhaupt ein Bedürfnis für den Zugang zu den so genannten Passenger Name Records (PNR) für die Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität darzulegen, heißt es darin etwa. Die verdachtslose Speicherung der umfangreichen Informationen über einen Zeitraum von 13 Jahren sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar.

Generell sprechen der Europa- und der Rechtsausschuss von einem geplanten "erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung". Dabei besinnen sich die Politiker in den Ländern, die im Herbst noch die verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten abnickten, auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Demnach bestehe außerhalb statistischer Zwecke ein striktes Verbot der Sammlung personenbezogener Daten auf Vorrat. Auch die europäische Menschenrechtskonvention untersage das "systematische, rechtlich unbegrenzte Sammeln von Daten".

Weiter zweifeln die beiden Ausschüsse die gewählte Rechtsgrundlage in Form eines Rahmenbeschlusses an. Ein solcher betreffe die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden der Mitgliedsstaaten. Mit dem Vorstoß würden aber auch "privaten Fluggesellschaften und Datenmittlern Pflichten auferlegt". Zudem würden Airlines bereits auf Basis einer bestehenden EU-Richtlinie verpflichtet, den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten grundlegende Passagierdaten wie Namen, Geburtsdatum, Nationalität, Passnummer, Geschlecht sowie biometrische Daten in Form der Advanced Passenger Information (API) zu übermitteln. Damit sei ein Instrument zur Verbesserung der Einreisekontrolle und zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung geschaffen worden, das auch einen Nutzen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und sonstiger schwerer Straftaten darstelle. Es sollte daher erst geprüft werden, ob dieses Instrument nicht ausreiche.

Die Kommission stellt mit ihrem Vorschlag auf ein dezentrales System zur Vorhaltung von Flugpassagierdaten ab. Fluglinien sollen die begehrten PNR, die über die API hinaus auch Kreditkarteninformationen, besondere Essenswünsche, Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern enthalten, spätestens 72 Stunden vor dem Start sowie direkt nach dem Abfertigen einer Maschine an so genannte Passagier-Informationseinheiten in jedem Mitgliedsstaat weiterleiten.

Hier sehen die Europa- und Rechtspolitiker auch verfahrenstechnische Schwierigkeiten. Aus ihrer Sicht "muss bei der Vereinbarung europäischer Vorgaben für die Einrichtung einer Zentralstelle sichergestellt sein, dass durch deren spätere Umsetzung die grundsätzlich bestehende Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden der Länder für die Verfolgung von Straftaten, die der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, nicht tangiert wird". Ferner müssten die Staatsanwaltschaften die Sachleitungsbefugnis über mögliche Strafverfolgungsmaßnahmen behalten.

Gemeinsam mit dem Verkehrsausschuss bemängeln die Fachgremien für Europa- und Rechtspolitik zudem, dass die Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten im Papier der Kommission noch nicht beurteilt werden könnten. Der Entwurf verweise nämlich vor allem auf den beabsichtigten Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Sicherheitsbereich, der im EU-Rat seit Jahren heftig umstritten und nach wie vor nicht offiziell verabschiedet ist. Dieser sei auf jeden Fall abzuwarten.

Der Innenausschuss des Bundesrates verweist derweil darauf, dass in Deutschland die allgemein übliche Regelfrist für polizeiliche Datenspeicherungen maximal zehn Jahre betrage. Eine Aufbewahrungsdauer von drei beziehungsweise sieben Jahren sollten seiner Ansicht nach "den Sicherheitsbelangen ausreichend Rechnung tragen". Zugleich setzen sich die Innenpolitiker allein für eine Ausweitung des EU-Vorhabens ein. Demnach sollten die Fluggastdaten "auch den präventiv tätigen Nachrichtendiensten zur Verfügung gestellt werden". Bei der vorgeschlagenen Entwicklung von Risikoindikatoren und der Gewinnung von Erkenntnissen über Reisegewohnheiten handele es sich schließlich "um typische Vorfeldmaßnahmen zur Verhütung von Terrorismus und organisierter Kriminalität". Diese würden "auch und gerade" von Geheimdiensten erbracht.

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, forderte den beim PNR-Vorschlag federführenden EU-Justizkommissar Franco Frattini mittlerweile auf, die Ergebnisse einer [ (jk)