Seit AlphaGo-Sieg: Menschliche Go-Profis treffen deutlich bessere Entscheidungen
Seit 2016 spielen KI-Systeme Go deutlich besser als die stärksten Menschen. Als Reaktion spielen die aber inzwischen messbar besser und jetzt ist klar, warum.
Der publikumswirksame Sieg von AlphaGo gegen einen koreanischen Spitzenspieler im Strategiespiel Go im Jahr 2016 hat die Entscheidungsfindung professioneller Go-Spielerinnen und -Spieler merklich verbessert. Das hat eine Forschungsgruppe um Minkyu Shin von der City University of Hong Kong in einer umfangreichen Analyse ermittelt. Ihr Fund könnte darauf hinweisen, dass "übermenschliche KI" Menschen zu neuen Strategien inspiriert und lege nahe, dass so provoziertes innovatives Denken von Menschen zu Menschen weitergegeben wird, schreibt das Team. Die Künstliche Intelligenz hat die menschlichen Kontrahenten offenbar dazu gebracht, traditionelle Strategien hinter sich zu lassen und vermehrt neuartige Spielzüge auszuprobieren.
AlphaGo: Viel mehr neuartige ZĂĽge frĂĽh im Spiel
Wie die Gruppe im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences ausführt, hat sie sich umfangreiche Datensammlungen zu professionell gespielten Go-Partien zunutze gemacht, die bis ins Jahr 1950 zurückreichen. Die mehr als 5,8 Millionen darin aufgezeichneten Spielzüge haben sie dahingehend verglichen, dass sie für jeden einzelnen eine KI haben ermitteln lassen, wie das jeweilige Spiel danach mit anderen Entscheidungen ausgegangen wäre. Nach dem Aufkommen "übermenschlich" guter KI hätten die Menschen "signifikant bessere" Entscheidungen getroffen, hat die Analyse ergeben. Eine grafische Darstellung des Befunds zeigt, dass die Qualität der Spielzüge bis 2016 vergleichsweise konstant geblieben ist und dann auffällig und rasch zugenommen hat.
Verantwortlich für die deutlich besseren Ergebnisse seit 2016 ist der Forschungsgruppe zufolge wohl die starke Zunahme neuartiger Züge in der Frühphase der Partien. Die wurde demnach ermittelt, in dem festgehalten wurde, ab welchem Zug sich eine Partie von allen vorherigen unterscheidet und einzigartig wird. Sei das bis 2016 immer später in den Partien passiert, habe sich das Bild nach dem Sieg von AlphaGo sichtbar gedreht. Der sogenannte Novelty-Index liegt seitdem wieder deutlich über den Vorjahren. Um sicherzustellen, dass das nicht nur auf Spielzüge zurückgeht, die von einer KI entdeckt und von Menschen erstmals angewandt wurden, hat die Gruppe in einem weiteren Schritt 600.000 von einer KI entwickelte Züge in den Datensatz eingefügt. Das Bild habe sich dadurch nicht geändert.
Ă„hnliche Effekte in anderen Bereichen?
Insgesamt habe man so bestätigen können, dass professionelle Go-Spieler seit 2016 merklich stärker auf neuartige Spielzüge setzen und die Entscheidungen dadurch besser geworden sind. Abgesehen davon werfe ihre Arbeit aber auch weitere Fragen zu den Konsequenzen des Aufkommens von übermenschlicher KI auf, meint das Team. Untersuchenswert wäre etwa, wie sich die Wege bei der Entscheidungsfindung genau ändern. Der an der Studie beteiligte KI-Forscher Bas van Opheusden gesteht auf Twitter ein, dass KI-Systeme, die Kunst erschaffen und Geschichten schreiben, Sorge bereiten könnten. Aber hier habe man immerhin einen Fall gefunden, in dem eine KI einen positiven Effekt habe. Er geht davon aus, dass die positive Veränderung nicht auf Go beschränkt sei.
Das Strategiespiel ist vor allem in Ostasien verbreitet und gilt als komplexestes unter den besonders bekannten. Für Künstliche Intelligenz galt es als deutlich herausfordernder als beispielsweise Schach, dann besiegte AlphaGo der Google-Tochter Deepmind innerhalb weniger Monate mehrere der weltweit stärksten Profis. 2019 begründete Lee Sedol sogar das Ende seiner Profikarriere mit der Überlegenheit der Go-Programme. Das Projekt AlphaGo wurde 2017 eingestellt. Erst Anfang dieses Jahres ist es dann aber überraschend einem US-Amerikaner gelungen, ohne Hilfe eines Computers zwei besonders weit entwickelte Systeme zu besiegen. Dafür hat er sich eine Schwäche der KI zunutze gemacht.
(mho)