Sexueller Missbrauch: Beschwerden über illegale Inhalte drastisch gestiegen​

Die eco-Beschwerdestelle erreichten 2023 fast 66.000 Meldungen mit Schwerpunkt auf Missbrauchsdarstellungen. Drei Viertel der Inhalte erwiesen sich als legal.​

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Mann schaut in einem abgedunkelten Raum pornografische Bilder auf einem Computerbildschirm an.

(Bild: M-Production/Shutterstock.com)

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2023 hat die eco-Beschwerdestelle insgesamt 65.998 Eingaben wegen potenziell strafbarer oder jugendmedienschutzrechtlich relevanter Internetinhalte erhalten. Die Zahl ist von 18.110 im Jahr zuvor nach oben geschnellt, hat sich also in etwa verdreifacht. Ein Großteil – rund 91 Prozent beziehungsweise 60.151 Beschwerden – betraf erneut den Bereich "sexuelle Gewalt und Grenzverletzungen gegen Kinder und Jugendliche" und dabei insbesondere Darstellungen, die die Experten rechtlich als "Kinderpornografie" im Sinn des Paragrafen 184b Strafgesetzbuch (StGB) einstuften. Die Bundesregierung will die Norm entschärfen, da sie momentan auch für "Schulhof-Fälle" gilt.

Die Zahlen stammen aus dem Jahresbericht 2023 der Hotline, den der Verband der Internetwirtschaft am Mittwoch veröffentlicht hat. Bei Meldungen zu verfassungsfeindlichen Inhalten war demnach ein leichter Anstieg zu verzeichnen (603 Fälle). Ferner gingen auch mehr Hinweise auf frei zugängliche Erwachsenenpornografie (279 Fälle) und auf "entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte" (1049 Fälle) als im Vorjahr ein. Knapp zwei Drittel (63,3 Prozent) der Beschwerdeführer wollten anonym bleiben.

Nur rund ein Viertel der erhaltenen Beschwerden schätzten die Juristen der Einrichtung letztlich als berechtigt ein. Dabei stellten sie also tatsächlich einen Rechtsverstoß fest und leiteten weitere Maßnahmen ein. 2022 hatten die Prüfer 50,8 Prozent der erhaltenen Hinweise verworfen, diesmal waren es circa 75 Prozent. Dennoch blieben 2023 noch 17.493 berechtigte Beschwerden übrig, was bei einem Plus von rund 50 Prozent einen neuen Höchststand darstellt. 2022 lag die Zahl der berechtigten Eingaben bei 8904. Mit 16.573 Fällen machten im vorigen Jahr Darstellungen des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern auch wieder den größten Teil der berechtigten Beschwerden aus (94,7 Prozent).

In Deutschland gehostete Webseiten mit Inhalten, die nach Paragraf 184b StGB strafbar sind, konnten 2023 im Sinne des Prinzips Löschen statt Sperren innerhalb von durchschnittlich rund 1,9 Tagen zu 100 Prozent gelöscht werden. Die Zeitspanne sank gegenüber 2022, als die Vollzugsmeldung im Schnitt erst nach etwa 2,8 Tagen einging. Weltweit wurden derartige Inhalte in rund sechs Tagen mit einer Gesamterfolgsquote von 98,4 Prozent entfernt. Die Verfügbarkeitszeiten sind so im Vergleich zu 2022 ganz leicht gesunken. Grund für Verzögerungen sind in erster Linie unterschiedliche Rechtslagen etwa rund um virtuelle Darstellungen sowie undurchsichtige Verlinkungen.

Im Ausland gehostete Inhalte werden zunächst an eine Partnerstelle des internationalen Hotline-Verbunds Inhope transferiert. Diese übernimmt die weitere Bearbeitung mit dem Ziel etwa der Entfernung und arbeitet mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde des jeweiligen Staates zusammen. Gibt es im Land des Serverstandorts kein Inhope-Mitglied oder fällt der gemeldete Content nicht in den Zuständigkeitsbereich des Kooperationspartners, kontaktiert die Beschwerdestelle den Hostprovider direkt. Andernfalls erfolgt eine Anzeige bei der Polizei. Insgesamt hat die Hotline im vorigen Jahr 26.288 entsprechende "Notifikationen" verschickt, während es 2022 15.300 waren.

2023 war der Anteil der berechtigten Beschwerden über verfassungsfeindliche Inhalte wie Darstellungen von Hakenkreuzen oder das Verwenden verbotener Parolen erneut auffallend gering. Gerade einmal rund 7,6 Prozent der Meldungen stuften die Experten am Ende auch als rechtswidrig ein (46 Fälle gegenüber 33 im Vorjahr). Dies entspricht 0,26 Prozent aller berechtigten Eingaben 2023 und ähnelt dem Anteil von 2022.

Im aktuellen Berichtsjahr erhielt die Hotline ferner insgesamt 322.306 Beschwerden über ungewünschte Werbemails. Das sind etwa ein Drittel weniger als 2022 (472.763). Die Betreiber setzen hier vor allem auf einen "selbstregulatorischen Ansatz": Die Übeltäter werden in der Regel nur – mit der Bitte um Einhaltung – auf die rechtlichen Voraussetzungen für zulässiges E-Mail-Marketing hingewiesen. Bei Spam, der offenbar über zertifizierte Provider versandt wird, erfolgt jedoch eine "umfassende Sachverhaltserörterung" inklusive Sanktionen bei dabei festgestellten Verstößen.

Beschwerdestellenleiterin Alexandra Koch-Skiba bezeichnete die Zunahme von Meldungen insbesondere rund um sexuellen Gewalt und Grenzverletzungen gegen Minderjährige als "erschütternd". Sie verdeutliche aber auch, "dass unsere Gesellschaft wachsam ist und sich klar gegen illegale Inhalte positioniert". Grundsätzlich bleibe Löschen statt Sperren der effektivste Weg bei der Bekämpfung illegaler Internetinhalte. Der eco ist gegen ein flächendeckendes Scannen der Online-Kommunikation etwa per Chatkontrolle.

(mki)