Nacktfotos: So will Justizminister Buschmann Schulhof-Fälle entkriminalisieren

Der Justizminister hat seinen Gesetzentwurf zur Reform des verschärften Sexualstrafrechts veröffentlicht. Manche Verfahren könnten wieder eingestellt werden.

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(Bild: lisyl/Shutterstock.com)

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Nach lautstarkem Drängen aus der Ampel-Koalition hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Freitag seinen lange erwarteten Plan zur Reform des Sexualstrafrechts publik gemacht. Er soll das Normenwerk korrigieren, in manchen Fällen wieder mildere Strafen einführen, die Einstellung von Verfahren zulassen und die Justiz entlasten.

"Die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte ist eine schreckliche Tat, die schwer bestraft werden muss", erklärte der FDP-Politiker dazu. "Das soll und muss auch unbedingt so bleiben. Die Strafverschärfung aus dem Jahr 2021 ist jedoch über das Ziel hinausgeschossen." Mit dem umstrittenen Gesetz änderte der Bundestag im Wahlkampfmodus mit der Mehrheit von Schwarz-Rot Paragraf 184b des Strafgesetzbuches (StGB). Anliegen der Novelle war es, auch die mittelbare Förderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch die Verbreitung entsprechender Darstellungen schärfer zu sanktionieren.

Der Gesetzgeber stufte dazu nahezu alle in der Vorschrift enthaltenen Varianten zu einem Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr hoch. Ermittler haben damit im Unterschied zu minderschweren Vergehen keine Wahl mehr: Sie müssen auch jeden noch so kleinen Fall vor Gericht bringen. Selbst Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) verwies mittlerweile darauf, dass es sich bei über 40 Prozent der damit ausgelösten Ermittlungswelle um sogenannte Schulhof-Fälle handle. Da machten etwa junge Mädchen Nacktfotos und schickten sie ihrem Freund ("Sexting"). Oder Jugendliche teilten solche Fotos untereinander, ohne einer Strafbarkeit bewusst zu sein.

Das schlägt sich auch im aktuellen Lagebild des Bundeskriminalamts zu Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen nieder. Das Phänomen der sogenannten Selbstfilmer spielt dort eine große Rolle: 17.549 von insgesamt 42.517 Tatverdächtigen sind nicht volljährig – also 41,3 Prozent.

Mit dem nun an Länder sowie Verbände geschickten Referentenentwurf zur Anpassung der Mindeststrafen von Paragraf 184b will Buschmann die Erhöhung des Strafrahmens auf zehn Jahre Freiheitsstrafe für schwere Fälle des Erwerbs, der Verbreitung oder des Besitzes von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs zwar prinzipiell beibehalten. Zugleich soll den Strafverfolgungsbehörden aber die Möglichkeit wiedereröffnet werden, in jedem Einzelfall angemessen auf einschlägige Verfahren zu reagieren.

Wenn der Tatvorwurf am unteren Rand der Strafwürdigkeit liegt, könnten Gerichte so wieder eine niedrigere Strafe als ein Jahr Haft verhängen. Das Strafmaß für den Kauf oder die Verbreitung einschlägiger Bilder oder Videos soll auf sechs Monate herabgestuft werden, der Besitz auf drei Monate. Zudem wäre es auch möglich, Verfahren nach den Paragrafen 153 und 153a Strafprozessordnung (StPO) wieder einzustellen oder anderweitig zu erledigen.

Jüngst sorgte der Fall einer Lehrerin für Aufsehen: Sie wollte verhindern, dass sich ein intimes Handy-Video einer 13-jährigen Schülerin weiter im Internet verbreitet und ließ sich die Aufnahmen auf ihr eigenes Mobiltelefon laden. Die Staatsanwaltschaft sah sich daraufhin gezwungen, Anklage zu erheben. Auch eine Mutter, "die in einem Klassenchat kinderpornografisches Material entdeckt und es weiterleitet, um andere Eltern vor den Bildern zu warnen, muss aktuell mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft werden", legte Buschmann dar. "Das ist nicht gerecht."

Der Deutsche Richterbund bezeichnete den Schritt des Ministers als überfällig. Das Recht sei gegen den Rat aller Experten verschärft worden. Die vermeintlich gute Tat des Aufklärens habe sich "zum Bumerang" gewandelt. Der Deutsche Anwaltsverein begrüßte Buschmanns Vorschlag ebenfalls. Die anderen Ressorts müssen noch einbezogen werden, bevor ein Regierungsentwurf an Bundestag und Bundesrat gehen könnte.

(dahe)