Österreich: Jeder Shitstorm-Teilnehmer haftet alleine für den gesamten Schaden

Wer sich online an einem Shitstorm beteiligt, haftet womöglich nicht nur für seinen Beitrag, sondern für alle. Das kann kosten.​

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Eine Hand auf einer Computermaus, die andere auf einer Laptop-Tastatur

(Bild: Proxima Studio/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Ein Österreicher muss einem Polizisten 3.000 Euro zahlen. Der Beklagte hat, wie Hunderte weitere Facebook-User, ein Posting geteilt, ohne dessen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Mit den Postings wurde der Polizist zu Unrecht rechtswidrigen Verhaltens bezichtigt. Nun muss der Beklagte nicht bloß für sein einzelnes Posting einstehen, sondern für den gesamten immateriellen Schaden, den der Shitstorm dem Polizisten insgesamt verursacht hat. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) Österreichs rechtskräftig entschieden (Az. 6 Ob 210/23k).

Der OGH stuft den Schaden als unteilbar ein; es sei unmöglich, die konkreten Folgen einzelner Postings aufzuklären. Diese Probleme halsen die Richter nicht dem Geschädigten auf, sondern den Schädigern. Sie müssen die Konsequenz tragen, "dass das Opfer den Ersatz für den gesamten Schaden im Wege der Solidarhaftung berechtigt auch nur von einem von ihnen verlangen kann", führt die Zusammenfassung des OGH-Erkenntnisses aus. "Es genügt der Nachweis des Klägers, Opfer eines Shitstorm gewesen zu sein, und dass sich der konkret belangte Schädiger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat."

Anstatt jeden einzelnen Teilnehmer eines Shitstorms auf kleine, womöglich unterschiedliche Beträge zu verklagen, darf der Geschädigte auch nur einen einzelnen Teilnehmer für den gesamten Schaden vor Gericht bringen. Und das muss keineswegs derjenige sein, der die Lawine ins Rollen gebracht hat. Das Opfer darf sich frei aussuchen, welchen Shitstorm-Poster es in Anspruch nimmt.

Der Zahler hat dann durchaus die rechtliche Möglichkeit, sich von anderen Teilnehmern des Shitstorms deren jeweiligen Anteil zurückzuholen. Er muss also nicht auf den gesamten Kosten sitzenbleiben – theoretisch. In der Praxis kann es sehr aufwändig sein, die einzelnen Teilnehmer eines Sozialen Netzes auszuforschen, den jeweils von diesen verursachten Anteil am Gesamtschaden nachzuweisen, und das Geld dann auch noch einzutreiben.

Das ist den Richtern keineswegs entgangen: "Die Schwierigkeit, andere Schädiger ausfindig zu machen, und das Risiko der Uneinbringlichkeit (bei einzelnen Schädigern) ist von den Schädigern zu tragen", führt der OGH auf seiner Webseite aus, "Die einzelnen Poster, die zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und wissen, an welche 'Freunde’ sie den Beitrag weitergeleitet haben, haben die Schadensaufteilung im Regressweg untereinander vorzunehmen."

Der Schadenersatz in diesem Fall bezieht sich auf immaterielle Schäden durch Verletzung von Datenschutz und Bildnisschutz, enthielt das Posting doch ein Bild des Polizisten. Der Volltext des OGH-Erkenntnisses ist noch nicht verfügbar, soll aber bald im RIS (Rechtsinformationssystem des Bundes) veröffentlicht werden.

(ds)