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Sid Meier zu Civilization 1: "Wir haben in der Kinderabteilung recherchiert"

Sid Meier und Bruce Shelley haben den ersten Civilization-Teil entwickelt. Auf der GDC erinnern sie sich an Geschichtsbücher, Brettspiele und die Frage aller Fragen: Können antike Speerkämpfer ein modernes Schlachtschiff besiegen?

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Sid Meier zu Civilization 1: "Wir haben in der Kinderabteilung recherchiert"

Sid Meier (links) und Bruce Shelley schildern auf der GDC ihre Erkenntnisse aus der Entwicklung von Civilization 1.

(Bild: c't)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Civilization-Reihe hätte beinahe einen anderen Namen bekommen: Als Sid Meier und Bruce Shelley den ersten Teil der rundenbasierten Strategie-Reihe entwickelten, gehörte der Name "Civilization" noch zu einem Brettspiel. "Wir haben das Spiel intern schon immer Civilization genannt, mussten uns dann aber nach Alternativen umsehen", sagt Meier auf der GDC in San Francisco. Letztlich habe man die Namensrechte dann aber einfach gekauft. "Der Name war uns sehr wichtig. Er trifft den Nagel einfach voll auf den Kopf."

Mittlerweile ist die Civilzation-Reihe 25 Jahre alt und gehört zu den meistgespielten PC-Spielen überhaupt. Das grundlegende Spielprinzip hat sich dabei nie groß geändert. Der Spieler gründet Städte, errichtet Bauten und hebt Einheiten aus – und drückt dann "Runde beenden". So war es bei Civilization schon immer, und so wird es wohl auch bleiben. Doch als Meier und Shelley den ersten Teil entwickelten, gab es keine Vorlage – sie tappten im Dunkeln. Inspiration bekamen sie von anderen Spielen aber durchaus. "Unsere große Gabe war es, von anderen Spielen abzukupfern."

"Wir hatten die Idee, ein Spiel über die gesamte Geschichte der Zivilisation zu entwickeln. Das hatte den Vorteil, dass wir eine riesige Zielgruppe erreichen konnten – die Geschichte geht nun mal jeden von uns etwas an." Das Ziel war es aber nicht gewesen, den Spielern Geschichtsunterricht zu geben, stellt Meier klar.

Tiefes historisches Wissen sollte nicht zur Voraussetzung für Civ 1 werden. Vielmehr ging es darum, dem Spieler das Gefühl zu geben, Teil von etwas Großem zu sein, in einer Reihe mit wichtigen Anführern der Weltgeschichte genannt zu werden. Das sollte nicht einschüchternd sein, sondern einfach Spaß machen. "Wir haben unsere Nachforschungen in der Kinderabteilung der Bibliothek angestellt. Die Bücher darin haben viele schöne Bilder."

Der erste Prototyp von Civilization 1 war noch ein Echtzeit-Strategiespiel.

Der erste Prototyp von Civilization 1 war noch ein Echtzeit-Strategiespiel, erst später entschied man sich zu dem rundenbasierten Prinzip. "Ein Echtzeit-Strategiespiel kann man nicht 20 Stunden lang am Stück spielen", erklärt Meier die Entscheidung. Dass Civilization 1 eine gewisse Suchtwirkung entwickeln würde, durch die Spieler immer "nur noch eine Runde" weiterspielen wollten, war zum damaligen Zeitpunkt weder Shelley noch Meier bewusst. "Das ist dann einfach so passiert."

Meier war nicht nur als Programmierer und Designer an Civ 1 tätig, sondern verantwortete auch den Artstyle des Spiele-Klassikers. Shelley legte wenig Wert auf Äußeres: "Ich komme aus der Steinzeit der Spiele-Entwicklung. Damals war es egal, wie ein Spiel aussieht." Stattdessen legte er den Fokus auf das spielerische Design: "Die recht primitive Technologie erlaubte es mir, mich auf das Design zu konzentrieren. Ich habe mir die ‚umgekehrte Pyramide der Entscheidungsfindung‘ ausgedacht. Wir gaben dem Spieler am Anfang nur wenige Optionen, die sich dann im späteren Spielverlauf zu immer mehr Entscheidungsmöglichkeiten verästeln."

Vieles ist bei der Entwicklung von Civilization 1 richtig gelaufen, es gab aber auch Fehltritte. Sid Meier nennt das Kampfsystem als Beispiel. Durch das epochenübergreifende Spielprinzip konnte es dazu kommen, dass antike Einheiten gegen hochmoderne Todesmaschinen antreten mussten. "Ich habe mir das mathematisch angeschaut: Wenn Speerkämpfer eine bestimmte Anzahl an Angriffspunkten haben, können mehrere von ihnen gemeinsam ein Kampfschiff vernichten. Leute mit einer bildlichen Vorstellungskraft haben das anders gesehen."

Auch intern wurde es kontrovers diskutiert, ob primitive Einheiten gegen moderne Technologie eine Chance haben sollten. Zwischenzeitlich probierte man sogar, beim Kampf auf eine separate Karte zu wechseln. Letztlich entschied man sich für den schlicht zahlenbasierten Ansatz. "Rückblickend haben wir das verbockt", meint Meier. Außerdem hätte man Modding für Civilization 1 unterstützen sollen, glaubt die Entwickler-Legende. "Modding hat viele Civ-Spiele jahrelang am Leben gehalten. Wir konnten uns damals aber einfach nicht vorstellen, dass jemand ein Spiel besser designen kann als wir."

Der Zufallsfaktor im Technologie-Baum sorgte bei vielen Spielern für Frust.

Für Kritik sorgte auch der Tech-Tree. Der sei zwar grundsätzlich gelungen, allerdings wurde der Spieler immer nur mit einer zufälligen Auswahl an frischen Technologien konfrontiert. Das sollte das Spiel unberechenbar machen. Meier: "Ich mag es nicht, nur auf den maximalen Nutzen abzuzielen. Ich will von einem Spiel auch überrascht werden."

Viele Spieler sehen das anders: Sie fanden es frustrierend, auf eine bestimmte Technologie hinzuarbeiten, die dann durch Zufall einfach nicht in der Auswahl auftauchte. "Manche Leute spielen einfach gern analytisch. Das ist eine Frage des Geschmacks", schlichtet Shelley.

Der sechste Teil der Civilization-Reihe wandelt noch immer in den Fußstapfen des ersten Teils, den Shelley und Meier vor 25 Jahren geschaffen haben. Im Detail hat sich die Civ-Reihe gewandelt, doch im Kern ist es noch immer das gleiche Spielprinzip, das PC-Spieler stundenlang vor den Monitor fesselt. Viele von ihnen dürften Shelley um ein ganz besonderes Artefakt beneiden: Er besitzt noch heute die Diskette vom allerersten Civilization-1-Prototypen – aus der Zeit, bevor sich Meier für das rundenbasierte Prinzip entschied. (dahe)