Computex

Silber, Gold, Platin – Netzteil-Trends

Dem Watt-Wahnsinn verfallen immer weniger Netzteilhersteller. Stattdessen jagt man nun Energiespar-Medaillen: Nach Bronze, Silber und Gold ist jetzt auch Platin angesagt.

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Von
  • Georg Schnurer

Große Zahlen sind prima – vor allem für den Verkauf. Bei Prozessoren übertrumpft man sich deshalb gern mit Gigahertzen zur Anregung der Kauflust. Die Magie der großen Zahlen wirkte lange Jahre auch verkaufsfördernd bei Netzteilen. So war zunächst ein regelrechter Watt-Wahnsinn bei den Netzteilherstellern ausgebrochen: Boliden in der 2-kW-Leistungsklasse kamen auf den Markt, die in keinem noch so gut bestückten Gamer-PC auch nur ansatzweise ausgelastet werden konnten. Einige dieser Kleinkraftwerke waren so groß, dass sie nur extern, neben dem PC-Gehäuse, Platz fanden.

Mit steigenden Energiepreisen und wachsendem Umweltbewusstsein der Käufer kam dann der Umschwung: Energieeffizienz war nun das Ziel. Marketing-technisch unterstützt durch das 80-Plus-Logo hieß es nun für die Hersteller "Go for Gold ". Letztes Jahr erweiterte die 80-Plus-Initiative ihre Plakettensammlung für Desktop-PC-Netzteile um ein weiteres Logo: "80 Plus Platinum" war nun die von den technisch versierteren Herstellern angestrebte Plakette. Allerdings gab es diese höchste Auszeichnung nicht umsonst: Der technische Aufwand, um die geforderte Effizienz zu erreichen, war und ist recht hoch. Als besonders teuer zu überspringende Hürde erwies sich der geforderte Wirkungsgrad von 90 Prozent bei nur 20 Prozent der Nennlast. So gab es zunächst vor allem leistungsstarke Platin-Netzteile ab 850 Watt.

Der 80-Plus-Forderungskatalog für Desktop-PCs umfasst bislang die Logo-Stufen "80 Plus" bis "80 Plus Platinum"

Doch wer braucht heute eigentlich so viel Leistung? Die Prozessoren von Intel und AMD arbeiten selbst in den höchsten Taktklassen immer effizienter. Auch Grafikkarten – einst die Energeiverbrutzer schlechthin – begnügen sich heute mit deutlich weniger Energie. Ein gut ausgestatteter PC wie etwa der von c't erst kürzlich zusammengestellte Bauvorschlag mit Intels Core i7-3900 und leistungsfähiger Grafikkarte wartet nur mit einer Spitzenlast von 500 Watt auf. Die Basisversion des Bauvorschlags begnügt sich sogar mit 255 Watt Spitzenleistung. Ein Netzteil der Kilowatt-Klasse braucht also kaum jemand.

Das hindert die Hersteller freilich nicht daran, weiterhin Boliden mit 1200 und mehr Watt anzubieten. Den Vogel schoss bei unserem Computex-Rundgang der amerikanische Vertreiber Rosewill ab: Sein Modell "Hercules" protzt mit einer Leistung von 1600 Watt bei einer maximalen Umgebungstemperatur von 50 Grad und wird im Alu-Köfferchen ausgeliefert. Ein Energiesparer ist dieser Amerikaner freilich nicht: Das Gerät trägt gerade einmal ein 80-Plus-Silber-Logo. Angaben zum Lärmpegel macht Rosewill übrigens auch nicht. Noch mehr Power, nämlich 1700 Watt, will Enermax mit dem "Platimax 1700" an den zahlengläubigen Käufer bringen. Dieses arbeitet laut 80-Plus-Platinum-Logo wenigstens halbwegs effizient, wenn es denn jemals ausgelastet wird. Der Käufer kann hier aber auch zu kleineren Mitgliedern der Platimax-Familie greifen: Enermax bietet Modelle mit 500, 600, 750, 850, 1000, 1500 und den bereits erwähnten 1700 Watt an – allesamt mit Platin-Logo.

Computex 2012: Netzteilhersteller im Platin-Fieber (18 Bilder)

FSP Aurum 92+

Die Serie Aurum 92+ von FSP schmückt sich – auch wenn der Name anderes nahelegt – mit dem 80-Plus-Platinum-Logo. Die Netzteile mit Kabelmanagement sind in den Leistungsklassen 450, 550 und 650 Watt zu haben.

Zur Ehrenrettung von Rosewill muss freilich erwähnt werden, dass es durchaus auch Netzteile mit vernünftigem Leistungsangebot und 80-Plus-Platinum-Logo gibt. Die Fortress-Serie etwa startet schon bei 450 Watt (550, 650, 750 W), die Tacgyon-Reihe bietet 500 bis 1000 Watt. Wer es leise mag, kann zum Modell "Silent Night" mit 500 Watt greifen.

Es gibt aber auch etliche Netzteil-Hersteller, bei denen der Trend zu mehr Effizienz noch nicht so recht angekommen zu sein scheint: Spire etwa stellte zwar auf der Computex eine neue Serie von Gaming-Netzteilen vor, die man auch gern in Deutschland und Europa verkaufen möchte, doch keines der drei Modelle mit 450, 550 und 650 Watt Leistung schmückt sich auch nur mit irgendeinem 80-Plus-Logo. Sogar die auf der auch in deutscher Sprache verfügbaren Firmenwebseite angepriesene Modelle der Serie "Jewel Eco" weisen keinerlei 80-Plus-Zertifizierung auf. Folgerichtig sucht man das Unternehmen denn auch vergeblich in der Liste der Firmen, die sich bereits um ein entsprechendes Logo beworben haben. Im Gespräch mit heise online kündigte Rolf Borrenbergs, Vice President Sales & Marketing bei Spire, aber an, dass man sich demnächst um eine entsprechende Zertifizierung bemühen werde.

Bei den etablierten Herstellern ist der Trend zum leisen und energieeffizienten Netzteil aber zum Glück schon länger angekommen. So gibt es inzwischen bereits 123 Modelle, die sich mit den 80-Plus-Platinum-Logo schmücken dürfen (Stand: 9.6.2012). Rechnet man die Servermodelle hinzu, sind es sogar schon 230. Darunter finden sich inzwischen auch etliche mit Leistungen deutlich unterhalb von 1000 Watt (siehe Bilderstrecke).

Für Server mit redundanten Netzteilen hat die 80-Plus-Initiative bereits ein 80-Plus-Titanium-Logo kreiert. Derzeit erfüllt allerdings erst ein Dell-Netzteil diese Anforderungen.

Noch höhere Anforderungen an die Energieeffizienz stellt das 80-Plus-Titanium-Logo (siehe Tabelle). Allerdings ist es derzeit nur für redundante Server-Netzteile im 230-Volt-Netz spezifiziert. Hier verlangt die 80-Plus-Initiative auch noch einen Mindestwirkungsgrad von 90 Prozent bei zehn Prozent Nennlast . Das ist zwar ein auch für PC-Netzteile erreichbarer Wert, doch stehen die dann entstehenden zusätzlichen Kosten für diese marginale Verbesserung in keinem Verhältnis mehr zu der zu erwartenden Energieeinsparung. Man könne, so teilte uns ein nicht genannt werden wollender Herstellervertreter mit, solche ATX-Netzteile bereits jetzt bauen, doch "Erster" wolle man hier lieber nicht sein.

Via OC-Link können zwei Netzteile zu einem Tandem verbunden werden. Damit lässt sich eine Gesamtleistung von maximal 2600 Watt in den PC bringen. Wer die verbraten soll, lässt Antec offen.

Auch jenseits der Effizienzdiskussion gab es einige interessante Entwicklungen auf der Computex zu entdecken. So bietet Antec bei seinen Netzteilen der HCP-Linie die Möglichkeit, zwei davon im Tandem zu betreiben. Die beiden Netzteile werden dazu über einen sogenannten OC-Link verbunden. Ein Gerät versorgt dann den Prozessor und die Laufwerke, das zweite kann sich ausschließlich um die Versorgung der Grafikkarten kümmern. Passende Gehäuse mit zwei Einbauplätzen für das Netzteil-Duo hat man natürlich auch im Programm.

Eher zu den Spielereien mit geringem technischen Nutzen gehört der Trend zu "Full Modular"-Netzteilen. Hier sind auch die in jedem Fall zur Versorgung des Mainboards benötigten Kabel über Stecker mit dem Netzteil verbunden. Das gibt dem Netzteil zwar eine schicke und aufgeräumte Optik in der Vitrine, doch elektrisch gesehen ist es höherer Unfug, in jedem Fall benötigte Kabel über ein zusätzliches Stecker/Buchsen-Paar zu führen. Eine solide Lötverbindung sieht zwar nicht so schick aus, hat aber einen geringeren Übergangswiderstand und ist weniger störanfällig.

Wer mehrere Corsair-Komponenten in seinem PC verbaut, kann Lüfter gruppieren und nach unterschiedlichen Kenngrößen rotieren lassen.

Zur Geräuschminderung setzen viele Hersteller inzwischen auf geregelte Netzteil-Lüfter, die erst bei Erreichen einer Mindestlast anlaufen. Wer in diese Regelung eingreifen will und Wert auf eine besonders stabile Stromversorgung legt, der sollte mal einen Blick auf das neue Corsair-Netzteil AX200i werfen: Hier übernimmt ein DSP die Spannungsstabilisierung und die PFC. Das soll laut Corsair für deutlich geringere Schwankungen der Ausgangsspannungen sorgen, die weit unterhalb der von Intel geforderten Grenzwerte liegen. Darüber hinaus ermöglicht eine mitgelieferte Software es, den Netzteil-Lüfter etwa auch über die CPU-Temperatur zu regeln. So kann man bei rechenintensiven Anwendungen den Luftdurchsatz im Gehäuse gezielt erhöhen. Verbaut man im PC noch weitere Corsair-Komponenten, so lassen sich diese in der Software zu Regelungsgruppen zusammenfassen. Das kann in komplexeren Systemen mit vielen Grafikkarten durchaus zu einer besseren und leiseren Kühlung des Gesamtsystems führen und befriedigt in jedem Fall den Spieltrieb des PC-Eigentümers.

Mal was Neues: Ein Radiallüfter im PC-Netzteil.

Eine letzte Kuriosität in Sachen Netzteile entdeckten wir noch bei SuperFlower: Der taiwanische Hersteller zeigte den Prototypen eines noch namenlosen ATX-Netzteils mit Radial-Lüfter. Ob solch eine Walze letztlich effizienter und vor allem leiser und zuverlässiger arbeitet als die üblichen Axiallüfter, bleibt abzuwarten. Vergleichbare Lösungen in Server-Gehäusen sorgen zwar für reichlich Zugluft, doch das ist in der Regel auch mit einem Höllenlärm verbunden. (gs)