Smartphone-Reparatur: Besuch in der Handyklinik

Das gute Stück ist runtergefallen oder hat einen Defekt? Bei teuren Smartphones lohnt sich oft eine Reparatur. Die gibt's auch direkt beim Hersteller.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 100 Kommentare lesen
Smartphone-Reparatur: Besuch in der Handyklinik

(Bild: heise online)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Als erstes kommt das Handy in den Ofen oder auf den Grill. Denn um so ein modernes Smartphone reparieren zu können, muss man es erstmal öffnen. Doch sind die Dinger heutzutage immer kompakter und dünner, die Bauteile miteinander verklebt. Das macht es im Reparaturfall nicht gerade einfach – es sei denn, man hat die richtige Ausrüstung. In so einem “Ofen” wird das Smartphone erwärmt, damit der Kleber wieder flüssig wird und sich die Gehäuseabdeckung dann manuell einfacher lösen lässt.

Horst Niele hat so schon zigtausende Handys geöffnet. Über seinen Tisch gehen die Smartphones, die bei der Letmerepair GmbH in Kleinmachnow in einem Gewerbegebiet an der Stadtgrenze von Berlin eingehen. Das Unternehmen hat sich auf die Reparatur von elektronischen Geräten spezialisiert und betreibt einige Großwerkstätten in Deutschland sowie Service-Center für Hersteller wie Samsung oder Huawei. Am Standort Kleinmachnow arbeiten rund 100 Mitarbeiter, davon 40 nur für Samsung-Geräte.

Samsung bietet seinen Kunden seit dem Frühjahr für die gängigen Smartphone-Krankheiten einen eigenen Reparaturservice zum Festpreis an. Auch andere Hersteller machen das, bei Apple zum Beispiel gibt es Festpreise für Akku- oder Displaytausch. Damit wollen die Hersteller auch dafür sorgen, dass Besitzer eines Flaggschiff-Smartphones eine fachgerechte Reparatur mit Originalteilen erhalten, die der Handyladen an der Ecke nicht immer bieten kann. „Wir wollen damit nichts verdienen”, betont Samsungs Service-Direktor Andreas Beck. Auch kann so die Lebensdauer eines teuren Smartphones verlängert werden. Reparatur vor Austausch, heißt die Prämisse bei Samsung.

Smartphone-Reparatur bei Samsung und Letmerepair (30 Bilder)

In den Customer Service Plazas können Kunden mit einem defekten Gerät einfach vorbeikommen.
(Bild: heise online)

Ersatzteile hält Samsung noch etwa 18 Monate nach Produktionsende eines Gerätes vorrätig – das gilt über die ganze Produktpalette vom Smartphone bis zum Flachbildfernseher. Dann können sich Handels- und Servicepartner noch mit einem Vorrat eindecken, der für ein paar Jahre ausreichen sollte, erklärt Beck. Noch heute gibt es etwa Ersatzteile für das Galaxy S3. In besonderen Fällen, etwa bei Produktionsfehlern, hält Samsung die Ersatzteile auch länger vor.

Besitzer eines Samsung-Smartphones können mit ihrer "Spider-App" oder anderen Defekten auch in die Service-Center gehen, die es in zehn deutschen Städten gibt. Samsung arbeitet dabei mit verschiedenen Service-Anbietern zusammen, unter anderem auch Letmerepair. In diesen "Customer Service Plazas" kann der Kunde oft darauf warten, dass sein Handy repariert wird. So ein Displaytausch, eine der häufigsten Reparaturen, ist schnell gemacht. Bei komplizierten Fällen kann es aber auch etwas länger dauern.

Ins Samsung-Service-Center in Berlin-Tempelhof kommen rund 100 Kunden jeden Tag. Nicht alle brauchen sofort eine Reparatur, gut der Hälfte kann ohne tieferen Eingriff ins Gerät geholfen werden. Hier werkeln rund 27 Mitarbeiter der Neumann + Krause GmbH, die auch Großgeräte für Samsung reparieren. Weiße Ware und größere Fernseher werden dabei in der Regel vor Ort beim Kunden repariert, das Servicemobil hat alle gängigen Ersatzteile und Panels an Bord.

Bei Samsungs eigenem Reparaturprogramm werden die Smartphones vom Kunden direkt bei Letmerepair eingeschickt und landen in der Warenannahme, bevor sie zu Horst Niele und den Kollegen in die Werkstatt gehen. Darüber hinaus gehen hier auch die defekten Smartphones ein, die an den Reparaturtresen der Berliner Elektronikmärkte abgegeben wurden – und das sind nicht nur Samsungs. Eine eigene Fahrzeugflotte sammelt die Geräte abends ein und bringt sie nach Kleinmachnow, wo sie dann von der Frühschicht bearbeitet werden. Am frühen Nachmittag können die Handys dann schon wieder auf dem Weg zum Kunden sein.

Am Wareneingang bekommen alle Geräte eine Nummer. Von der Erfassung über die Reparatur bis zum Rückversand an den Kunden vergeht im Idealfall kein halber Tag. Die sogenannte “Touch-Time” – die Zeit, die das Gerät zwischen Ein- und Ausgang von einem Mitarbeiter bearbeitet wird – beträgt im Schnitt 50 bis 70 Minuten, erklärt Niederlassungsleiter Dirk Müller. Die Werkstatt in Kleinmachnow ist ausgelegt für 600 bis 800 Geräte pro Tag.

Nach der Erfassung und einer ersten Diagnose wird das Smartphone an der Station von Horst Niele geöffnet und sorgfältig von sämtlichen Kleberesten gesäubert. Dann kommt es zu einer Reparaturstation, wo Mitarbeiter wie Steffen Haseloff die Reparatur übernehmen. Bei einem Galaxy-Smartphone muss Haseloff über 20 Schrauben lösen, um frei an alle Innereien zu gelangen. Grundsätzlich werden alle Schrauben und Klebefolien bei jeder Reparatur erneuert, erklärt Niederlassungsleiter Müller.

In Tempelhof und Kleinmachnow findet man Spezialgeräte in der Werkstatt, die Samsung zur Verfügung stellt. Der “Grill” zum Beispiel: Das Smartphone wird bei Unterdruck auf eine modellspezifische Temperatur erwärmt und der Gehäuserücken durch den Unterdruck angehoben. Diese Werkzeuge sind auf Samsung-Geräte zugeschnitten. Das sei auch ein Vorteil der offiziellen Servicestellen gegenüber den “alternativen Reparaturbuden”, sagt Müller.

Steffen Haseloff repariert ein Samsung Galaxy.

(Bild: heise online)

Nur ein paar Minuten braucht ein geübter Fachmann wie Haseloff etwa um ein defektes Kameramodul auszutauschen. Danach setzt er das Smartphone wieder zusammen und testet die technischen Funktionen. Auch dafür gibt es spezielle Software, mit der sich zum Beispiel prüfen lässt, ob die Sensoren im Smartphone alle richtig funktionieren.

Bei wasserdichten Geräten muss auch die Dichtigkeit überprüft werden: Dafür legt Haseloff ein einfaches Gewicht auf das Smartphone und liest die Sensorwerte aus. Wen der Höhensensor keinen Druckanstieg anzeigt, ist das Gehäuse wahrscheinlich nicht dicht. Nach der Reparatur geht das Smartphone in die Abschlusskontrolle, wo noch einmal alle Standardfunktionen getestet werden. Dann kann das Handy zurück zu seinem Besitzer.

Gerade bei einem teuren Flaggschiff kann sich so eine Reparatur lohnen, die aber auch nicht gerade ein Schnäppchen ist. Für ein neues Display bei einem Galaxy-Smartphone der S-Klasse ruft Samsung einen Festpreis von 229 Euro auf (die A-Klasse ist mit 129 schon deutlich günstiger). Auch bei den großen iPhones kostet der Displaytausch um die 200 Euro, das hochverdichtete iPhone X ist mit 320 Euro für ein neues Display schon ein Ausreißer.

Diese Preise liegen auch daran, das bei den modernen High-End-Smartphones das Display fest mit dem Glas und oft auch anderen Bauteilen verklebt ist. Bei der Reparatur wird dann ein ganzes Modul getauscht, das schon als Ersatzteil relativ viel kostet. Und ein wasserdichtes Gerät ist aufwändiger zu reparieren. Das von Samsungs Servicepartnern instandgesetzte Galaxy S8 wird wieder wasserdicht und die Garantie, die beim Handymann an der Ecke erlischt, bleibt bestehen.

Aber es gibt durchaus Alternativen zu den Reparaturangeboten der Hersteller. Im Test freier Smartphones-Werkstätten der c’t vor zwei Jahren bewährte sich vor allem der Vorort-Service, den es in vielen Filialen von Mediamarkt und Saturn gibt. Aber auch klassische Elektronikfachhändler mit eigenem Reparaturbetrieb gibt es noch. Nicht zuletzt kann man bei einfacheren und älteren Modellen es auch einmal selbst probieren. Wer sich das zutraut, der findet Ersatzteile und Einbau-Sets in vielen Online-Shops und Anleitungen bei Anbietern wie iFixit. (vbr)