"Sommertheater" bringt Telekom in Misskredit

Nicht nur Telekom-Mitarbeiter, auch Börsianer und Wirtschaftsführer fordern Abstinenz der Politik bei der Telekom.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Die Telekom geschädigt, der Investitionsstandort Deutschland gefährdet: Das größte Telekommunikationsunternehmen Europas und Aushängeschild der deutschen Wirtschaft droht durch das Polit-Theater um die Ablösung von Vorstandschef Ron Sommer schweren Schaden zu nehmen. Nicht nur Telekom-Mitarbeiter, auch Börsianer und Wirtschaftsführer fordern Abstinenz. Ihrer Ansicht nach haben die Einmischung der politischen Parteien und deren Wahlkampfgetöse mehr zur Verunsicherung als zur Stabilisierung des hoch verschuldeten Unternehmens und seiner gebeutelten T-Aktie beigetragen.

Im WDR kritisierte der frühere BDI-Präsident Hans Olaf Henkel am Dienstag das Gezerre um Chefsessel: "Wer hat bei deutschen Firmen eigentlich das Sagen, die Politik oder der Aufsichtsrat?", fragte er. Doch die Telekom ist zwischen Regierung und Opposition längst zu einem Spielball im Bundestagswahlkampf 2002 geworden. Telekom-Sprecher Ulrich Lissek nennt das "Repolitisierung" des einstigen Staatskonzerns, an dem der Bund noch mit 43 Prozent beteiligt ist. Für das Image der Telekom, die sich als Global Player im internationalen Telekom-Geschäft sieht, ist der öffentlich ausgetragene Streit alles andere als förderlich. John Stanton, Chef der US-Mobilfunktochter VoiceStream, spricht aus, was Anlegern auf den Nägeln brennt: "Die Investoren in den USA verlieren das Vertrauen in den Konzern." Einige US-Anleger sollen gar Klagen gegen die Bundesregierung erwägen.

Dass Politiker jetzt Aktionären hinterherlaufen, ist für Henkel der eigentliche Skandal bei diesem "Sommertheater". Offenbar geht es der Bundesregierung, die noch vor wenigen Wochen Sommer Rückendeckung gab, nur ums Stimmvolk -- fast drei Millionen Kleinanleger sind kein Pappenstiel. Der Telekom-Chef, den die Regierung für den dramatischen Fall der T-Aktie verantwortlich macht, soll das Bauernopfer werden.

Bei allem Streit um die Top-Personalie ist die Konzernstrategie völlig in den Hintergrund getreten. Diese hatten in den vergangenen Jahren alle Vorstände getragen und sie war vom Aufsichtsrat genehmigt worden. Mit Mobilfunk, Online-Geschäft, Festnetz und Systemgeschäft setzt die Telekom auf vier Sparten und baute sie durch Akquisitionen systematisch aus. Nach Ansicht von Analysten und Branchenexperten ist die Telekom mit ihrer Strategie keineswegs fehlgeschlagen. Im Vergleich zu Konkurrenten wie France Telecom steht das Unternehmen im internationalen Vergleich sogar relativ gut da. Doch es drückt ein Schuldenberg von rund 67 Milliarden Euro.

Den Abbau der Schulden, die wesentlich zum Kursverfall beigetragen haben, erklärte der Vorstand längst zur obersten Priorität und legte ein Sparprogramm auf. Nach den jetzigen Plänen sollen die Verbindlichkeiten bis 2003 auf 50 Milliarden Euro schrumpfen. Helfen soll dabei auch der Börsengang der Mobilfunktochter T-Mobile, der wegen der schlechten Stimmung an den Kapitalmärkten immer wieder verschoben wurde. Diese Strategie kann vermutlich auch ein neuer Telekom-Chef nicht völlig umkrempeln. Hätte die Telekom ihre Internationalisierung verpasst, hielt Sommer seinen Kritikern immer wieder entgegen, wäre das Unternehmen heute ein kleiner regionaler Anbieter. (Peter Lessmann, dpa) / (jk)