Sorgen um die Pressefreiheit in Deutschland

Oppositionspolitiker und Medienvertreter haben die Ermittlungsverfahren gegen 17 Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat im Rahmen des BND-Untersuchungsausschusses scharf kritisiert.

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Oppositionspolitiker und Medienvertreter haben die Ermittlungsverfahren gegen 17 Journalisten wegen Geheimnisverrat im Rahmen des BND-Untersuchungsausschusses scharf kritisiert. Michael Konken, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), witterte hinter den Aktionen der Staatsanwaltschaften einen "breit angelegten Angriff auf die Pressefreiheit" ohne Vorbild. Der FDP-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Max Stadler, sagte, seine Kollegen seien bei der Beantragung der Untersuchungen "über das Ziel hinausgeschossen". Wer eine als geheim eingestufte Information an Journalisten weitergebe, mache sich zweifellos strafbar. Medienvertreter, die solche an sie herangetragenen Geheiminformationen verwenden, würden aber nur ihre Pflicht und ihren Auftrag erfüllen. Die FDP habe daher erneut Gesetzesänderungen zum Schutz der Pressefreiheit vorgeschlagen.

Staatsanwaltschaften in Berlin, München, Frankfurt und Hamburg haben laut einem Bericht des ARD-Hauptstadtstudios 17 Ermittlungsverfahren gegen Journalisten wegen Verdachts auf Beihilfe zum Geheimnisverrat eingeleitet. Sie sollen aus vertraulichen und geheimen Akten des BND-Untersuchungsausschusses zitiert haben. Bei den Medienvertretern handelt es sich demnach unter anderem um Redakteure der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, der Frankfurter Rundschau", des Tagesspiegel, der Berliner Zeitung, der Tageszeitung, der Welt und um fünf Redakteure des Spiegel, unter ihnen Chefredakteur Stefan Aust. Dieser sprach von einem "ungezielten Angriff auf die Pressefreiheit mit der Schrotflinte" und wollte den Ermittlungen "gelassen entgegensehen".

Im BND-Ausschuss geht es um die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes und anderer deutscher Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Terrorismus. Angestoßen wurden die Verfahren laut ARD vom Vorsitzenden des Gremiums, Siegfried Kauder. "Auf einmal war der Untersuchungsausschuss löchrig wie ein Schweizer Käse. Man konnte über eingestufte Akten in der Presse mehr lesen als wir im Ausschuss vorliegen hatten", wird der CDU-Politiker zitiert. Er und seine Kollegen hätten die Akten nicht mehr ins Büro bekommen, sondern nur noch in der Geheimschutzstelle einsehen können. Die Mehrheit des Ausschusses habe deshalb beschlossen, die undichte Stelle ausfindig zu machen. Deshalb habe er Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) den Sachverhalt mitgeteilt mit der Bitte zu prüfen, ob nicht eine Ermächtigung zur Ermittlung wegen Geheimnisverrats erteilt werden könne. Lammert erstattete daraufhin nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft Anzeige.

Laut Stadler und dem Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele war bei dem Mehrheitsbeschluss des Ausschusses aber versprochen worden, dass sich die Maßnahmen nicht gegen Journalisten, sondern nur gegen die Lecks in den eigenen Reihen richten würden. Ströbele gab an, gegen den Antrag auf Ermittlung gestimmt zu haben. Die Grünen hatten in dieser Legislaturperiode genauso wie die FDP und die Linken einen Antrag zur Stärkung der Pressefreiheit gestellt, der aber unlängst mit den Stimmen der großen Koalition abgelehnt wurde. Stadler griff derweil die SPD-Fraktion an. Diese vor allem habe gezielt Interna an die Öffentlichkeit getragen, um den ehemaligen Kanzleramtschef und jetzigen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.

Auch der Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, Uwe Vorkötter, kritisierte die Ermittlungen. "Ich halte es für ein Ding der Unmöglichkeit, dass journalistische Recherche flächendeckend mit juristischen Sanktionen bedroht wird", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Seine Zeitung werde sich juristisch wehren. Die Presse habe allein Beihilfe zur Aufklärung der Affäre geleistet. Der leitende politische Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", Hans Leyendecker, sagte im Deutschlandfunk, es handele sich um einen Versuch der Einschüchterung, der zu nichts führen werde. Politik und Bürokratie würden mit aller Macht versuchen, geheim zu halten, was öffentlich sein müsste. Allerdings seien die Ermittlungen kein ernsthafter Angriff auf die Pressefreiheit, eher wolle sich die Politik wichtig machen.

Neben Oppositionspolitiker sehen auch die Medienexperten der SPD-Fraktion im Bundestag spätestens nach der vom Bundesverfassungsgericht für nicht mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärten Durchsuchung der Redaktionsräume des Magazins Cicero und der Arbeits- und Wohnräume des Journalisten Bruno Schirra vor zwei Jahren Nachbesserungsbedarf bei der Pressefreiheit. Etwa durch die Ermöglichung von heimlichen Online-Durchsuchungen solle künftig nicht nur die Intimsphäre der Bürger "massivst" verletzt, "sondern zugleich auch die freie Recherche und Berichterstattung der Medien in Frage gestellt" werden, monierte der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, im April bei der Beratung eines Antrags der Linken zur Sicherung der Rechte für Journalisten im Bundestag. Auch bei der geplanten Umsetzung der EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung und zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung sähen die SPD-Medienpolitiker noch "erheblichen Änderungs- und Überarbeitungsbedarf." Dies gelte vor allem für die vorgesehene Relativierung der Zeugnisverweigerungsrechte und des Informantenschutzes für Journalisten und Medienvertreter. (Stefan Krempl) / (jk)