Sorgenkind für eine Million Jahre: Großbritanniens Satellit Skynet-1A

Der Boulevard hat sich köstlich amüsiert, dass niemand mehr weiß, wer Skynet-1A an seine aktuelle Position verschoben hat. Doch dort droht dauerhaft Unheil.

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(Bild: ClearSpace)

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Kürzlich hatte die BBC als Kuriosum der Weltraumfahrt vermeldet, dass jemand den ältesten Satelliten Großbritanniens, Skynet-1A, von seinem ursprünglichen Einsatzort verschoben hat, doch niemand wisse heute, wer, wann und warum gerade dorthin. Der Spott ist den zuständigen britischen Behörden sicher, aber der Fall wirft erneut ein Schlaglicht auf das Problem "Weltraumschrott".

Ursprünglich wurde Skynet-1A in eine geostationäre Umlaufbahn über Ostafrika gebracht (36.000 km hoch, 40° Ost), von wo aus er britischen Streitkräften als Kommunikations-Relay diente. Das klappte aber nur rund 1 Jahr lang, bis die Sendeverstärker vermutlich wegen unzureichender Anpassung an große Temperaturunterschiede ausfielen. Selten war die Diagnose "kalte Lötstelle" im Wortsinn treffender. Heute befindet sich das Weltraumwrack unerklärlicherweise über der Westküste Südamerikas auf 105° West. Das ist zu nahe an Satelliten, die in Betrieb sind.

Einiges spricht dafür, dass es nicht zufällig an seine aktuelle Position geraten ist, sondern aktiv dorthin gesteuert wurde. Denn ohne aktive Bewegung wäre das Wrack in das von Ostafrika aus gesehen nächste Gravitationsloch über dem Indischen Ozean gerutscht und dort geblieben. Stattdessen befindet es sich im übernächsten Gravitationsloch nahe Südamerika. Dort schwingt Skynet-1A wie in einer Schüssel hin und her und kommt anderen Satelliten bis zu viermal täglich bedenklich nahe. Seine minimale Entfernung (Apogee) beträgt 35.784 km, die maximale 35.794 km (Perigee). Heute befördert man alte Satelliten und andere Wracks in einen Orbitalfriedhof noch weiter von der Erde entfernt, wo sie keine aktiven Satelliten gefährden.

Über fehlende Aufzeichnungen kann man sich heute wundern, aber Skynet-1A wurde 1969 in die Umlaufbahn geschossen, nur wenige Monate, nachdem der erste Mensch den Mond betreten hat – und seinerzeit hat man sich um Entsorgung von künstlichen Weltraumobjekten noch keine Gedanken gemacht. Heute kommt die Nachlässigkeit teuer zu stehen, denn längst ist Skynet-1A eine Gefahr für andere Satelliten und laut der UK Space Agency wird er es ohne spezielle Maßnahmen wohl die nächste Million Jahre noch sein.

Davon gehen jedenfalls die Autoren des rund 1 MByte großen Katalogs UK Registry of Outer Space Objects aus und deshalb überwacht das britische National Space Operations Centre dessen Position und Bewegung laufend. Da er sich mangels Treibstoff selbst nicht mehr bewegen kann, informiert das Institut die Betreiber benachbarter Satelliten, falls mal ein Kollisionskurs droht. Dann müssen gefährdete Satelliten dem führungslosen Klotz ausweichen. Eine Kollision gilt es jedenfalls unbedingt zu vermeiden, weil dabei sehr viele kleine und zugleich schnelle Trümmer entstehen (Super-Spreader-Ereignisse), die viele andere Satelliten buchstäblich abschießen können.

Derzeit entwickelt man zwar Methoden, um Schrott aus der Umlaufbahn abzufischen, aber bis die Technik auch für Skynet-1A einsatzbereit ist, dürfte das verstummte Relay noch eine ganze Weile mit der Erde um die Sonne kreisen. Die britische Weltraumbehörde sammelt schon mal Erfahrung mit Objekten in niedrigeren Umlaufbahnen. Bisher haben nur die USA und China gezeigt, dass sich auch geostationärer Weltraummüll entsorgen lässt.

Die britische Regierung hat einen Wettbewerb ausgeschrieben, um Lösungen für die Beseitigung von Orbitaltrümmer zu sammeln. Der Gewinner soll seinen Vorschlag Ende 2026 oder Anfang 2027 vorführen. Interessante Methoden entwickeln beispielsweise das Schweizer Unternehmen ClearSpace und die japanische Firma Astroscale. Der Idee von AstroScale zufolge könnte man einen mit einem Roboterarm bewehrten Satelliten ins All senden, der Wracks greift und in Richtung Erdatmosphäre lenkt, wo sie verglühen.

Das deutsche Unternehme OHB arbeitet mit ClearSpace im Rahmen der Mission ClearSpace-1 der Raumfahrtagentur ESA an einem eigenen Verfahren. Dabei soll ein Raumschlepper mit vier Armen ausgediente Satelliten fassen und ebenfalls in die Atmosphäre stoßen.

(dz)