Parkinson-Patient kann dank Rückenmarksimplantat wieder gehen

Parkinson war bei einem 62-Jährigen bis zur Immobilität fortgeschritten. Ein neues Implantat half ihm wieder auf die Beine.

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Bis zu acht Stunden am Tag nutzt Marc sein Implantat.

(Bild: EPFL)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Abdullahi Tsanni
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Ein an Parkinson erkrankter Mann kann wieder gehen. Die Krankheit war bei dem 62-jährigen Marc so weit fortgeschritten, dass er sich nicht mehr hatte fortbewegen können. Doch Ärzte haben ihm ein kleines Gerät in sein Rückenmark implantiert, das Signale an seine Beine sendet. So erlangte er seine Gehfähigkeit zurück. Die dazugehörige Studie ist nun in "Nature Medicine" veröffentlicht.

"Ich kann jetzt mit viel mehr Selbstvertrauen gehen, und mein tägliches Leben hat sich grundlegend verbessert", sagte Marc auf einer Pressekonferenz.

Marc ist der erste und einzige Patient, der die neue spinale Neuroprothese erhalten hat. Dabei handelt es sich um ein kleines Implantat mit Elektroden, das unter der Haut über dem Rückenmark angebracht wird. Es sendet elektrische Signale aus, um die Nerven in seinem Rückenmark zu stimulieren, die dann seine Beinmuskeln aktivieren.

Marc ist seit etwa drei Jahrzehnten an Parkinson erkrankt. Vor zwanzig Jahren erhielt er ein Implantat, das eine tiefe Hirnstimulation ermöglichte – eine gängige Behandlung für die Symptome dieser Krankheit. Trotzdem entwickelten sich bei ihm nach und nach neurologische Probleme – bis hin zur Immobilität. Weder eine Behandlung mit Dopamin noch die Hirnstimulation konnten hier helfen. Gehen ohne Stürze war nicht mehr möglich. "Ich war gezwungen, drei Jahre lang nicht mehr zu gehen, und wurde als behindert angesehen", sagt Marc.

Im Jahr 2021 nahm er dann an einer klinischen Studie teil, die von Forschern der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und des Universitätsspitals Lausanne geleitet wurde, um zu testen, ob ein von ihnen entwickeltes neuroprothetisches Implantat seine Gehfähigkeit wiederherstellen könnte.

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Das Team hatte das Gerät bereits an drei Affen getestet, die ähnliche Geh- und Gleichgewichtsschwierigkeiten hatten wie Menschen mit Parkinson. Sie implantierten die Geräte in die Rückenmarkshäute der Affen und statteten jeden Affen mit einer Gehirn-Computer-Schnittstelle aus, die es den Forschern ermöglichte zu erkennen, wann der Affe gehen wollte. Dann gaben die Forscher kurze, elektrische Signalstöße über das Rückenmarkimplantat, die schließlich bei allen drei Affen die Gehfähigkeit wiederherstellten.

In Marcs Fall implantierte das Team Elektroden an der Spitze seines Rückenmarks und verband sie mit einem Neurostimulator, der unter der Haut in seinem Bauch platziert wurde. Wann immer er spazieren gehen möchte, drückt er einen Knopf auf einer Fernbedienung, die drahtlose Signale an den Neurostimulator sendet. Das neuroprothetische Gerät schickt dann elektrische Signalstöße, die das lumbosakrale Rückenmark stimulieren, eine Region der unteren Wirbelsäule, die die Beinmuskeln aktiviert.

"In diesen Bereichen befinden sich alle motorischen Neuronen, die die Muskelkontraktion und damit die Bewegung der Beine steuern", erklärt Eduardo Moraud, Neuroingenieur am Universitätsspital Lausanne, der dem Team angehörte, das das Gerät entwickelt hat.

Die Parkinson-Krankheit raubt den Betroffenen Lebensqualität: Mit fortschreitender Krankheit haben die meisten Menschen Schwierigkeiten beim Gehen oder Balancieren und können "einfrieren", das heißt vorübergehend bewegungsunfähig werden. Seit mehr als 20 Jahren werden Menschen mit Mobilitätsproblemen im Zusammenhang mit Parkinson mit tiefer Hirnstimulation behandelt. Doch viele Menschen wie Marc stellen fest, dass ihre Symptome weiter bestehen, sagt Jocelyne Bloch, Mitautorin der Studie und Neurowissenschaftlerin am Universitätsspital Lausanne. Deshalb sind sie und ihr Team auf der Suche nach neuen Therapien. Sie haben bereits an einer Therapie gearbeitet, die einer Person, die aufgrund einer Rückenmarksverletzung gelähmt war, das Gehen wieder ermöglichte.

"Die neue Studie ist eine weitere technische Meisterleistung dieser Gruppe", sagt Sergey Stavisky, ein Neuroingenieur an der University of California, Davis. Stavisky, der nicht an der Studie beteiligt war, freut sich, dass die Technologie für die Rückenmarkstimulation funktioniert: "Das ist bedeutsam und sehr aufregend."

Es bleibt jedoch unklar, ob das neuroprothetische Gerät bei allen Parkinson-Patienten funktioniert. "Das ist eine wirklich wichtige Frage, die es zu beantworten gilt", sagt Stavisky. Marc hat sein Implantat seit etwa zwei Jahren. Als nächstes will das Schweizer Forschungsteam das Gerät an sechs weiteren Personen testen.

(jle)