Spekulationen um Kommunikationssparte: Kappt Siemens seine Wurzeln?

Siemens-Chef Klaus Kleinfeld hatte versprochen, dass im nächsten Jahr alle Siemens-Bereiche die ehrgeizigen Renditeziele erreichen. Größtes Sorgenkind ist dabei immer noch der Bereich Com.

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Von
  • Axel Höpner
  • dpa

Für Deutschlands größten Elektrokonzern Siemens gibt es kein Kerngeschäft mehr. Spätestens seit Abtrennung der Halbleitersparte unter dem Namen Infineon sind die Zeiten von Bestandsgarantien für einzelne Geschäftsfelder vorbei. Mit dem Amtsantritt von Vorstandschef Klaus Kleinfeld im vergangenen Jahr hat sich die Schlagzahl weiter erhöht. Vor der Aufsichtsratssitzung an diesem Mittwoch (26. April) und der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen einen Tag später wird weiter über einen Verkauf der gesamten ertragsschwachen Kommunikationssparte Com spekuliert. Hintergrund ist auch die Fusion der Konkurrenten Alcatel und Lucent, die nach Einschätzung der Experten von Credit Suisse die Konsolidierung in der weltweiten Telecomausrüster-Branche weiter anheizen dürfte.

Vor allem mit dem kostspieligen Verkauf der Handysparte an den taiwanischen BenQ-Konzern im vergangenen Jahr hat Kleinfeld bei den Beschäftigten Sorgen ausgelöst, dass andere Problemsparten ähnlich entsorgt werden könnten. In Branchenkreisen wird aber nicht damit gerechnet, dass Kleinfeld dem Aufsichtsrat am Mittwoch mit Vorlage der Zahlen auch Verkaufspläne für Com vorstellen wird. Die Lage bei der Kommunikationssparte sei ohnehin nur schwer mit dem verlustreichen Handygeschäft zu vergleichen. "So dramatisch ist die Lage bei Com auch wieder nicht." Allerdings müsse auch Siemens den Umbruch in der Branche aktiv mitgestalten. Verschiedene Medien hatten in den vergangenen Wochen spekuliert, Motorola könne die gesamte Siemens-Com-Sparte übernehmen. Von Analysten werden auch Nokia, Nortel und der chinesische Huawei-Konzern als potenzielle Käufer genannt.

Kontakte mit Motorola gab es jedenfalls. "Jeder spricht mit jedem", heißt es dazu in der Branche. Motorola dürfte vor allem an den profitablen Mobilfunknetzen von Siemens interessiert sein, zumal Motorola selbst in diesem Bereich nur bei Netzausrüstungen für den US-Standard CDMA stark ist, während Siemens bei den weltweit wichtigeren GSM- sowie den neuen UMTS-Netzen zu den führenden Anbietern gehört. Ein Verkauf allein der Mobilfunknetze aber ist zunächst einmal nicht im Interesse von Siemens. Daher wurde nun spekuliert, Motorola könne Com gleich im Gesamtpaket übernehmen. Auf diesem Wege würde Siemens auch die kriselnden Festnetzteile von Com los.

Kleinfeld hatte versprochen, dass im nächsten Jahr alle Siemens-Bereiche die ehrgeizigen Renditeziele erreichen. Größtes Sorgenkind ist dabei Com, der Bereich ist von der geforderten Rendite von acht bis elf Prozent vor Steuern und Zinsen meilenweit entfernt. Ohne den Verkauf von Aktien des US-Unternehmens Juniper hätte der Bereich im ersten Quartal 2005/06 (30. September) rote Zahlen geschrieben. Für das nächste Jahr prognostizieren die Credit-Suisse-Experten eine EBIT-Rendite von fünf Prozent.

Mit einem Verkauf von Com würde Siemens seine Wurzeln kappen. Schließlich war das Unternehmen 1847 als "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske" in Berlin gegründet worden. Doch für Sentimentalitäten gibt es in der globalisierten Wirtschaftswelt keinen Platz mehr: "Heilige Kühe gibt es schon lange nicht mehr", heißt es bei Siemens. Entscheidend sei, welche Geschäfte profitabel und zukunftsträchtig seien. Das Festnetz sei dabei in der Telekommunikationsbranche noch längst nicht tot – auch einige Mobilfunkbetreiber entdecken es gerade wieder. In jedem Fall aber dürfte Com – ebenso wie auch der IT- Dienstleister SBS – zuletzt die Erfolgsbilanz von Siemens wieder getrübt haben. Analysten rechnen dennoch damit, dass der Konzern im zweiten Quartal insgesamt gut unterwegs war. Der Umsatz dürfte Schätzungen zufolge auch durch Zukäufe von 18,6 auf etwa 21 Milliarden Euro gestiegen sein. Beim operativen Ergebnis rechnen Experten mit einem Anstieg von 1,1 auf etwa 1,3 Milliarden Euro. (Axel Höpner, dpa) / (jk)