Springer/ProSiebenSat.1: "Nicht genehmigungsfähige Marktmacht"

Das Bundeskartellamt hat seine Begründung für das Verbot der Übernahme der ProSiebenSat.1-Gruppe durch den Springer-Verlag vorgelegt. Ein Zusammenschluss würde demnach in gleich drei Bereichen zu einer nicht zulässigen Marktmacht führen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Das Bundeskartellamt hat am heutigen Dienstag seine Begründung für das Verbot der Übernahme der ProSiebenSat.1-Gruppe durch den Axel Springer Verlag vorgelegt. Demnach würde ein Zusammenschluss beider Konzerne nicht nur auf dem Fernsehwerbemarkt, sondern auch auf dem Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen und auf dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen zu einer nach dem Kartellrecht nicht genehmigungsfähigen Marktmacht führen. Im Vordergrund stehen vor allem Verflechtungen zwischen Springer/ProSiebenSat.1 und der Bertelsmanns-Gruppe.

Nach Ansicht des Bundeskartellamtes verfügen ProSiebenSat.1 und die zu Bertelsmann gehörende RTL-Sendergruppe mit einem seit Jahren konstanten Marktanteil von jeweils rund 40 Prozent bereits über eine gemeinsame marktbeherrschende Position, ein so genanntes "wettbewerbsloses Duopol" ohne wesentlichen Wettbewerb durch Außenseiter. Durch einen Zusammenschluss käme es zu einer weiteren Angleichung der unternehmensbezogenen Strukturmerkmale beider Konglomerate auf den benachbarten Zeitungs- und Zeitschriftenmärkten sowie zu einer Reihe von Verflechtungen zwischen Springer/ProSiebenSat.1 und Bertelsmann, stellte das Kartellamt fest.

Konkret geht es um gemeinsame Minderheitsbeteiligungen von Springer und Bertelsmann an mehreren privaten Hörfunksendern (zum Beispiel Radio Hamburg und Antenne Bayern), Pressevertriebsunternehmen (etwa in Leipzig, Dresden, der Pfalz und in Berlin) sowie die gemeinsame Beherrschung des Tiefdruckunternehmens Prinovis. Zudem entfiele durch den Zusammenschluss die Randsubstitution durch die Bild-Zeitung, die gegenwärtig für Werbekunden die einzige wirtschaftliche Alternative zur bundesweiten Fernsehwerbung darstelle.

Auf dem bundesweit abzugrenzenden Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen würde ein Zusammenschluss zur Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Springer führen, führte das Kartellamt weiter aus. Der Verlag habe auf diesem Markt mit der Bild-Zeitung einen Marktanteil von zirka 80 Prozent. Durch einen Zusammenschluss würde Springer die Möglichkeit bekommen, die Stellung der Bild-Zeitung durch werbliche und publizistische medienübergreifende Unterstützung (crossmediale Promotion) weiter abzusichern und damit zu verstärken.

Außerdem würde ein Zusammenschluss zu einer weiteren Verbesserung der Marktstellung von Springer auf dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen führen. Mit den Zeitungen Bild und Welt komme der Springer-Verlag hier bereits auf eine überragende Marktstellung mit rund 40 Prozent Marktanteil, so das Kartellamt. Durch eine Fusion bekäme Springer die Möglichkeit, Werbekampagnen für Produkte abgestimmt über mehrere Medien aus einer Hand anbieten zu können und so crossmediale Werbekampagnen für Dritte zu schalten. Dies würde die marktbeherrschende Stellung von Springer auf dem Anzeigenmarkt für Zeitungen weiter absichern.

Die vom Springer-Verlag im Verlauf des Verfahrens eingereichten Auflagenvorschläge zur Erlangung einer kartellrechtliche Freigabe konnten die Kartellwächter nicht überzeugen. So habe Springer etwa angeboten, keine Programminhalte unter Verwendung der Marke Bild zu gestalten oder die TV-Werbezeit der ProSieben/Sat.1-Programme getrennt vom Anzeigenangebot von Springer zu vermarkten. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Verpflichtungen sollte den Landesmedienanstalten im Rahmen ihrer Lizenzaufsicht obliegen. Bei diesen Lizenzauflagen handele es sich aber um "Verhaltenszusagen, die einer laufenden Verhaltenskontrolle bedürfen und daher nach dem Kartellgesetz nicht zulässig sind", erklärte Kartellamtspräsident Ulf Böge.

Das Angebot Springers, seine Beteiligungen an dem Tiefdruckunternehmen Prinovis und an denjenigen Hörfunksendern und Pressevertriebsunternehmen zu veräußern, an denen gleichzeitig Bertelsmann beteiligt ist, hielt das Kartellamt ebenfalls für nicht ausreichend. Selbst wenn Springer auch noch zusätzliche Geschäftsbereiche und Beteiligungen an Programmzeitschriften, weiteren Zeitschriften und Zeitschriftenverlagen, Hörfunk- und Ballungsraumfernsehsendern, Anzeigenblättern und Online-Unternehmen verkaufe, käme es im Ergebnis dennoch zu einer Verstärkung des Duopols, befanden die Kartellwächter.

Die von Springer angebotene Veräußerung des Senders ProSieben hätte womöglich zur Freigabe geführt. Allerdings beharrten die Kartellwächter auf der Bedingung, dass ProSieben vor Vollzug des Zusammenschlusses veräußert und der Sender aus der Werbezeitenvermarktung durch die ProSiebenSat.1-Tochter "SevenOne Media" herausgelöst werden muss. Dies war von Springer jedoch abgelehnt worden. Eine Veräußerung nach Vollzug des Zusammenschlusses lehnte das Bundeskartellamt ab, weil dadurch "auf unbestimmte Zeit kartellrechtlich unzulässige Marktstrukturen geschaffen worden wären".

Springer will nun die Chancen auf Erteilung einer Sondererlaubnis durch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ausloten. Eine Ministererlaubnis kann nach dem Gesetz erteilt werden, wenn bei Unternehmenszusammenschlüssen ein überragendes Interesse der Allgemeinheit besteht oder die gesamtwirtschaftlichen Vorteile überwiegen. Dazu muss Glos zunächst eine gutachterliche Stellungnahme der so genannten Monopolkommission einholen. Die Monopolkommission umfasst fünf, vom Bundespräsidenten für jeweils vier Jahre berufene Mitglieder (Wirtschaftswissenschaftler oder Juristen), die aber keine Weisungsbefugnis haben, sondern nur Empfehlungen aussprechen können.

Einer Ministererlaubnis für die Übernahme der ProSiebenSat.1-Gruppe durch den Axel-Springer-Verlag stehen insbesondere Unions-Politiker wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch und sein bayerischer Amtskollege Edmund Stoiber offen gegenüber. Auch der rheinland-pfälzische Landeschef Kurt Beck (SPD) sowie die Intendanten Fritz Pleitgen (WDR) und Markus Schächter (ZDF) plädieren für eine Erlaubnis: In der Medienwelt werden Stimmen für eine "nationale Lösung" laut; ProSiebenSat.1 gehört derzeit einer ausländischen Investorengruppe um den US-Milliardär Haim Saban. Die SPD-Medienpolitiker Monika Griefahn und Jörg Tauss lehnten eine Ministererlaubnis unterdessen ab. Die FDP widersetzt sich ebenfalls kategorisch einer Sondererlaubnis. (pmz)