Staatlicher Jugendschützer bricht Lanze für deutsches Jugendschutzsystem
Der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz hat im aktuellen Streit um "Killerspiele" das Verfahren der "Ko-Regulierung" als einzigartig streng verteidigt, während Prominente und bayerische Politiker auf Verschärfungen und Verbote setzen.
Von
Der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), Wolf-Dieter Ring, hat das hiesige Jugendschutzregime als weltweit "einzigartig streng und scharf" verteidigt. Gleichzeitig widersprach der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien den nach dem Amoklauf von Emsdetten erneut laut gewordenen Forderungen nach weiteren Gesetzesverschärfungen und einem Verbot von "Killerspielen" bei einer Diskussionsrunde von O2 zum Jugendschutz in "vernetzten Welten" am gestrigen Dienstag in Berlin. Ring erinnerte daran, dass es hierzulande bereits eine Strafvorschrift gegen brutale Gewaltdarstellungen in Medien gebe, die inzwischen auch für "menschenähnliche Wesen" in Computerspiele gelte. Es komme jetzt darauf an, das Geschaffene effizient weiterzuentwickeln und einzusetzen. Gleichzeitig "müssen wir schauen", wie das hier geschaffene einmalige System "in Europa und in der Welt" durchzuhalten sei.
Die bayerische Familienministerin Christa Stewens beharrte dagegen auf der Sichtweise, dass "wir ein Herstellungsverbot realer Killerspiele brauchen". Es gebe eine Schutzpflicht des Staates gegenüber den Kindern, die hierzulande immer weniger und immer kostbarer würden. Bei Spielen mit realistischen brutalen Gewaltdarstellungen "müssen wir uns genau anschauen, was sie in jugendlichen Seelen in Bewegung setzen", betonte die CSU-Politikerin. Mehrere Gutachten würden sagen, dass gerade bei schwierigen Kindern, um die sich ihre Eltern in Problemfamilien kaum kümmern, ein stärkerer gesetzlicher Schutz nötig sei. Das Beispiel der Verfolgung von Kinderpornographie zeige zudem, "dass wir mit Cybercops ganz anders aktiv werden können. Wir brauchen etwas Ähnliches bei den Killerspielen."
Auch die Schauspielerin Veronica Ferres ist der Ansicht, dass die einschlägigen Gesetze "zu lasch sind oder nicht in aller Konsequenz durchgezogen werden". Als Schirmherrin des von O2 unterstützten Vereins Power Child erlebe sie immer wieder, dass der Kinder- und Jugendschutz nicht ausreiche. Der Amokläufer von Emsdetten habe "stundenlang im Internet Gewaltspiele geschaut", konstatierte die O2-Werbeträgerin. "Die Hemmschwelle des Übertragens auf die Realität wird da sehr, sehr niedrig." Ein Verbot von "Killerspielen" hält sie für hilfreich.
Ring bekannte sich dagegen "ausdrücklich" zum vielfach gelobten, von Unionspolitikern jetzt aber wieder auf den Prüfstand gestellten System der so genannten Ko-Regulierung. Dabei liegt die Verantwortung etwa für die Altersfreigabe von Spielen oder für kindergerechte Netzinhalte zunächst bei freiwilligen Selbstkontrolleinrichtungen, die gewisse Anforderungen erfüllen müssen und einer staatlichen Akkreditierung bedürfen. Aufsichtsstellen des Staates können sich "in Ausnahmefällen", wie Ring betonte, über die Voten der Wirtschaft hinwegsetzen und Medieninhalte nach eigenen Maßstäben beurteilen. Schon allein angesichts der Masse der zu prüfenden Fälle kann das ganze Verfahren laut Ring aber nur unter Mithilfe der Anbieter funktionieren. Die Gremien zur Selbstkontrolle sowie die KJM sind mit den Bestimmungen im Jugendschutzgesetz (JuSCHG) und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ( JMStV) eingeführt worden, die nach langen Debatten in Folge des Erfurter Amoklaufs zum 1. April 2003 in Kraft traten.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Michaela Noll hielt angesichts der Verbreitung von Gewaltvideos auf Handys zwar ein "Nutzungsverbot" von Mobiltelefonen an Schulen nach bayerischem Vorbild für sinnvoll. Ihr sei aber bewusst, dass das Problem des Konsums gefährlicher Inhalte damit nur zeitlich in den Nachmittag verschoben würde. "Allein über Verbote als solches werden wir es nicht richten", erklärte das Mitglieder der Kinderkommission des Parlaments in Richtung der Forderung nach einer gesetzlich erweiterten Vorschrift gegen brutale Spiele. Wenn ein Jugendlicher sich ständig als Verlierer fühle, habe ein Ausrasten andere Ursachen als der Zeitvertreib mit "Killerspielen". Überdies müsse der schwammige Begriff zunächst definiert werden.
Hans-Joachim Otto, Vorsitzender des Medienausschusses des Bundestags, erachtete den Ruf nach dem Gesetzgeber gar für kontraproduktiv. Damit würden viele Eltern sich in Sicherheit wiegen und ihre eigene Verantwortung weniger wahrnehmen. Gesellschaftliche Fehlentwicklungen sind dem Liberalen zufolge generell nicht von Berlin aus einfach mit Gesetzen zu korrigieren. Auch laut dem Leipziger Medienpädagogen Hartmut Warkus muss das Problem anders angegangen werden. Zur Verbesserung des Jugendschutzes brachte er die Einrichtung einer zentralen Meldestelle für Verstöße ins Spiel. O2-Geschäftsführer Rudolf Gröger warnte vor gesetzlichen Auflagen etwa für die Blockade von Bluetooth-Schnittstellen in Handys für Jugendliche. "Wir können alles ausbauen, aber die bauen das wieder ein", meinte er. Jeder Heranwachsende sei zudem fähig, über ein Kabel Internetinhalte aufs Mobiltelefon zu laden. Ein in seinen Funktionen beschränktes Handy würde die Zielgruppe zudem als "uncool" und "nicht relevant" empfinden.
Siehe zu dem Thema auch: