Stagnation beim Cybergeld

Auf einer Fachkonferenz diskutierten Experten Maßnahmen gegen die mangelnde Akzeptanz von Cyber-Geld und Micro-Payment-Verfahren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 37 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Richard Sietmann

Die bargeldähnlichen Zahlungsysteme für das Internet kommen nicht so recht vom Fleck. Umfragen zufolge haben bislang lediglich 2 Prozent der Online-Shopper von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die etwa CyberCash, ecash oder die GeldKarte für Einkäufe übers Netz bereits bieten. Auf der Fachkonferenz PerfectCash 2000 rätselten Ende letzter Woche in Berlin rund 60 Experten – Wissenschaftler, Systemanbieter und Projektverantwortliche der Geldinstitute – über die Gründe der zögerlichen Akzeptanz selbst unter Freaks, die sonst an jedem Beta-Test begeistert teilnehmen. "Das Angebot ist zu gering und der sichtbare Nutzen ist nicht überzeugend", schätzt Knud Böhle vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe die Lage ein. "Es wird schwierig sein, eine Killer-Applikation zu finden, für die man unbedingt ein Online-Zahlungsmittel braucht – zurzeit gibt es im Internet noch nichts, was man exklusiv bekommt, indem man online dafür bezahlt".

"Die meisten Dienste sind heute werbefinanziert, sie sind auf ein breites Publikum und den kostenlosen Zugriff zugeschnitten", beschreibt Thorsten Wichmann von der Berlecon Research GmbH den Stand der Dinge, "die User haben sich daran gewöhnt". Und seitens der Anbieter stehen einer Umstellung auf Micro-Payments vor allem Reichweitenüberlegungen entgegen: Die Inhalts-Anbieter wollen eine möglichst große Zielgruppe erreichen; mit der Einführung von Gebühren müssten sie jedoch befürchten, dass die Zahl der Besuche auf ihrer Web-Site schlagartig zurückgeht, während sie gleichzeitig die Einnahmen aus der Bannerwerbung verlieren.

"Durch Werbung allein lassen sich die bestehenden Finanzierungslöcher nicht stopfen", ist hingegen Bouke Stoffelsma von der In Medias Res GmbH in Mönchengladbach überzeugt: "Die Werbefinanzierung begrenzt den Markt und ist für attraktive Nischenangebote ungeeignet." Gemeinsam mit der Deutschen Telekom hat In Medias Res ein Inkasso-System entwickelt, das die Web-Seiten eines Anbieters mit einer gebührenpflichtigen 0190er-Nummer koppelt und bei dem der Kaufbetrag am Monatsende auf der Telefonrechnung des Kunden erscheint. Dazu muss der User den net900-Client auf seinem PC installieren; sobald er dann beim Surfen auf einen kostenpflichtigen Link stößt, kappt der Client die bestehende Internet-Verbindung und baut innerhalb weniger Sekunden eine neue Telefonverbindung zum Anbieter über die Premium Content Plattform der Telekom auf, mittels der dann entweder im Pay per Minute- oder im Pay per Click-Modus abgerechnet werden kann. Anschließend wird der User direkt wieder an den Ausgangspunkt seiner Internet-Tour zurückgeschaltet. Jeder Kaufakt ist daher mit einem zweimaligen Dial-in verbunden.

Helmut Schmid, Geschäftsführer des Zahlungssystem-Betreibers TeleCash in Stuttgart, sieht in diesem System eher eine kurzfristige Übergangslösung. Mittelfristig weitaus größere Chancen räumt er den SmartCard-basierten Systemen wie der GeldKarte ein, die sich in Verbindung mit einem Kartenleser auch für Internetzahlungen verwenden lässt. "Die Werbefinanzierung der Internet-Auftritte geht zu Ende", glaubt allerdings auch er; denn weil die meisten Anbieter dabei rote Zahlen schreiben, "werden sie das über kurz oder lang nicht mehr durchhalten". (Richard Sietmann) (jk)