Stallman & Co. trommeln gegen DeCSS-Urteil

In einem umfassenden Plädoyer argumentieren 17 Computerwissenschaftler, darunter GNU-Guru Richard Stallman, wider das Urteil gegen das DVD-Kopiertool DeCSS.

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Von
  • Gerald Himmelein

Im Revisionsverfahren um das New Yorker Gerichtsurteil gegen das DVD-Entschlüsselungsprogramm DeCSS haben 17 Computerwissenschaftler einen "Brief of Amici Curiae" eingereicht – ein Plädoyer zur Unterstützung des Angeklagten Eric Corley, dem Betreiber der Website 2600.com. Zu den Autoren des Schreibens gehören unter anderem der Gründer der Free Software Foundation, Richard Stallman, und Computer-Prominenz wie Marvin Minsky und Eugene H. Spafford sowie David Touretzky, der bereits im jetzt angefochtenen Verfahren ausgesagt hatte.

Die Autoren argumentieren, Quellcode müsse ebenso wie normale Sprache unter das amerikanische Recht der Meinungsfreiheit fallen. Programmiersprachen besitzen eine logische Organisation, Rechtschreibung und Grammatik – ebenso wie normale Sprachen. Zwischen verbaler Rede und Maschinencode stünden fließende Abstraktionsschichten, sodass auch Computer-Code "Ausdrucksstärke" besitze: "Code is an expressive language". Geschickterweise vergleichen die Autoren den Abstraktionsgrad von Quellcode mit der Form, in der US-Anwälte Urteile zitieren.

Diese Argumentation hatte Richter Lewis Kaplan in seinem Urteil vom 17. August 2000 ausdrücklich abgelehnt. Kaplan behauptete in der Urteilsbegründung, Code diene nur nebenher zum Ausdruck eines Gedankens und primär zur Umsetzung einer Funktion. Im Fall von DeCSS stehe nicht der Ausdruck von Gedanken des Programmierers im Vordergrund, sondern die Funktion des Codes als Weg zur Umgehung einer Kopiersperre. Letzteres verstoße wiederum gegen das amerikanische Copyright-Gesetz (Digital Millennium Copyright Act, DMCA).

Die Computerwissenschaftler interpretieren die Umstände jedoch anders: Da Computer-Code per Copyright geschützt werden kann, falle er folglich auch unter den Schutz des "First Amendment" der US-amerikanischen Verfassung – der Garantie auf freie Rede. Die fließenden Grenzen zwischen Code und Sprache illustrieren die Wissenschaftler damit, dass man Computer mittlerweile auch per Stimme steuern könne – dabei werde Umgangssprache zu Steuerungsbefehlen für eine Maschine.

Die Autoren des Schreibens untermauern zudem ihre Argumente mit zahlreichen Zitaten aus diversen Gerichtsurteilen. (ghi)