Start von HDTV in der Schweiz noch in diesem Monat

Der Schweizer Kabelnetzbetreiber Cablecom startet Ende November sein HDTV-Angebot mit zunächst drei Sendern. Bis Ende 2008 sollen weitere Angebote folgen, wie echtes VoD und zeitversetztes Fernsehen.

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Von
  • Tom Sperlich

Der Start des hochauflösenden Fernsehens (HDTV) ist in der Schweiz zum Greifen nahe. Die entsprechende Settop-Box zum Empfang der HDTV-Signale kann ab heute beim größten Schweizer Kabelnetzbetreiber Cablecom zum Preis von 15 Franken (rund 9 Euro) monatlich bestellt werden; die Gebühr beinhaltet die bisherigen 93 digitalen TV-Kanäle. Cablecom, ebenfalls ein großer "Quadruple Player" (mit Internet, Festnetz, Mobilfunk und analogem/digitalem Kabel-TV) liefert die Settop-Box namens "HD Mediabox Receiver" ab 27. November aus, pünktlich zum Start des neuen schweizerischen HDTV-Kanals "HD Suisse".

Der neue Gemeinschaftskanal wird ab 1. Dezember in allen vier Landessprachen ausgestrahlt und soll sein 24-Stunden-Programm mit Eigen- und Koproduktionen der Sender SF, TSR, TSI und TvR sowie ausländischen Formaten in HDTV bestücken. Der Schwerpunkt des Senders liegt auf Live-Events, insbesondere Sportübertragungen. Als ersten Höhepunkt plant HD Suisse noch im Dezember 2007 die Übertragung des internationalen Eishockey-Turniers Spengler Cup. Weitere Highlights in 2008 werden die HDTV-Übertragungen der Fußball-Europameisterschaft EURO 2008 und der Olympischen Spiele in Peking sein.

Tatsächlich beginnt das Schweizer HDTV-Angebot schon am 27. November mit den beiden Sendern "Sat1.HD" und "Pro7 HD". Bereits im ersten Halbjahr 2008 will Cablecom das Angebot von drei HDTV-Sendern um weitere zwei bis drei Sender aufstocken. Der weitere HDTV-Ausbau hänge allerdings noch von einer Entscheidung des Schweizerischen Bundesamts für Kommunikation (Bakom) ab, ob der Sender "U1" weiter im analogen Kabelnetz der Cablecom verbreitet werden muss.

Cablecom geriet vor etwa einem Jahr ins Kreuzfeuer heftiger Kritik, weil es verschiedene (meist ausländische) Sender aus dem analogen Kabelnetz herausnahm und nur noch über das digitale TV-Angebot verbreitete. Dies war laut Cablecom notwendig, um in ihrem hybrid/koaxialen Netz mit einer Kapazität von 606 MHz mehr Bandbreite für digitale Angebote sowie die HDTV-Einführung zu schaffen.

Wie der Geschäftsführer von Cablecom, Rudolf Fischer, heute auf einer Pressekonferenz selbstkritisch eingestand, müsse sich das Unternehmen die Schuld an der harschen Kritik zu einem gewissen Teil selbst zuschreiben, Cablecom habe den "hohen Stellenwert des herkömmlichen analogen Fernsehens unterschätzt". Unterschätzt wurde auch die Tragweite der Entscheidung, die bis in hohe politische Kreise hinein Wellen schlug. So wurde der stellvertretende italienische Außenminister beim zuständigen Schweizer Bundesrat vorstellig.

Praktischer Widerstand kam auch aus der Bevölkerung, denn nicht wenig Kunden wechselten zu anderen Anbietern oder kauften sich eine Satellitenempfangsanlage. "Wir digitalisieren nicht auf Kosten der analogen Nutzer", proklamierte der Cablecom-Chef jetzt und versprach für 2008, keine Sender aus dem analogen Programm zu nehmen. Dafür kündigte er drei gleichberechtigte TV-Plattformen an: analoges, digitales und Internet-TV sowie einen Ausbau von Video-on-Demand (Leihfilme).

Um das analoge Fernsehangebot zunächst stabil zu lassen, aber auch um das gesamte Netz flächendeckend weiter zu modernisieren, schafft der Kabelnetzbetreiber mehr Bandbreite (von 606 MHz auf 862 MHz) und will dafür bis Ende 2008 zusätzlich 100 Millionen Franken (60,4 Millionen Euro) investieren.

Immerhin entscheiden sich nach Fischers Angaben bereits 10.000 Kunden monatlich für das digitale TV von Cablecom. 215.000 (ihrer insgesamt 1,5 Millionen) Kunden bedient Cablecom bereits mit Digital TV. Das sind um Längen mehr Kunden als die Swisscom mit ihrem IPTV-Angebot "Bluewin TV" vorweisen kann, das gerade mal 50.000 Kunden nutzen. Bluewin TV operiert somit laut Aussagen von Swisscom Fixnet CEO Ueli Dietiker gegenüber der "Handelszeitung" im Sommer des Jahres im defizitären Bereich, was noch mindestens zwei weitere Jahre so bleiben werde.

Nicht zuletzt will Cablecom auch die dritte TV-Plattform ausbauen. Seit Anfang 2007 stehen den Kunden auf der Cablecom-Website neun Free-TV-Kanäle im Streaming-Verfahren testweise zur Verfügung. Der Test soll nun zu einem regulären Angebot ausgebaut werden. In den nächsten Wochen und im kommenden Jahr sollen bis zu dreißig weitere Free-TV-Sender via Internet empfangen werden können. Die Bild- und Ton-Qualität lässt sich mit der des Analogfernsehens vergleichen. Ausgebaut werden auf dem Webportal auch die Video-on-Demand-Angebote.

Erstmals "echtes" Video-on-Demand soll es auch auf dem digitalen Kabelnetz geben, das bisher nur Filme zu festen Anfangszeiten anbot. Allerdings wird das nicht vor Ende 2008 passieren. Ebenfalls bis Sommer/Herbst kommenden Jahres müssen Interessenten auf eine HD Mediabox mit integriertem Festplattenrecorder warten. Ein Preis dafür wurde noch nicht bekannt gegeben. Bis dahin hofft Cablecom in Zusammenarbeit mit den Programmanbietern eine weitere Neuheit anzubieten: "Catch-Up-TV". Dahinter verbirgt sich die Bereitstellung bereits ausgestrahlter Sendungen, die sich später individuell abspielen lassen.

Eigentlich sollten am heutigen Donnerstag auch die Geschäftszahlen des 3. Quartals 2007 bekannt gegeben werden. Aus nicht genannten Gründen verschob jedoch der amerikanische Mutterkonzern Liberty Global die Veröffentlichung auf morgen. Doch eines wurde den versammelten Medienvertretern bereits heute offenbart: Es brummt im Hause Cablecom. Sowohl Umsatz als Gewinn seien gestiegen als auch die Zahl der Kunden in den Segmenten Digital TV und Digital Phone. Lediglich beim analogen Kabelfernsehangebot sei die Zahl der Kunden "stabil geblieben". (Tom Sperlich) / (vbr)