Startups entwickeln Plattformen für Multistandard-Mobilfunk

Software-basierte Chips für die Sende- und Empfangseinheiten sollen es ermöglichen, dass Mobilfunkgeräte ohne Austausch der Hardware in Netzen unterschiedlicher Standards arbeiten und deren Funktionen nachträglich modifiziert werden können.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Mit der Suche nach dem "heiligen Gral" der Mobilfunk-Hardware vergleichen mehrere Start-up-Firmen sehr selbstbewusst ihre Entwicklungen softwarebasierter Chips für die Sende- und Empfangseinheiten von Handys und Basisstationen. Dieser Ansatz soll es ermöglichen, dass Mobilfunkgeräte ohne Austausch der Hardware in Netzen mit verschiedenen Standards eingesetzt werden können. Das Unternehmen Sandbridge Technologies hat nun den nach eigener Einschätzung ersten integrierten softwarebasierten Prozessor für Mobilfunknetze der dritten Generation (3G) vorgestellt. Der Multi-Standard-Chip namens SB3010 soll bereits jetzt eine Fülle von Standards, nämlich GSM / GPRS, EDGE, W-CDMA, CDMA2000, 1xEV-DO, TD-SCDMA, WLAN und GPS unterstützen. Dank "upgrade over the air" soll die Plattform später auch Standards und Erweiterungen wie HSDPA, Wimax und DMB beziehungsweise DVB verarbeiten können, ohne dass Eingriffe in die Hardware erforderlich sind.

Die Endgerätehersteller sollen mit diesem Konzept, zu dem neben dem Chip "intuitive" Programmiertools und ein C-Compiler gehören, in die Lage versetzt werden, den Funktionsumfang neuer Endgeräte schon am Reißbrett komplett durchspielen und testen zu können. Dank der Möglichkeit zu späteren Upgrades ohne Eingriff in die Hardware sollen die Entwicklungskosten und Vermarktungschancen der Multistandard-Geräte günstiger sein als der bisherige Ansatz, den Funktionsumfang einer Handy-Plattform hardwareseitig festzulegen. Dies hat bislang zur Folge, dass beim Aufkommen neuer Funktechniken wie Wimax die Nutzer auch neue Endgeräte anschaffen müssen.

Das Wall Street Journal nennt neben Sandbridge Technologies weitere Unternehmen, die auf den SDR-Ansatz (software-defined radio) bauen. Demnach betreibt die englische PicoChip Designs Ltd. bereits die Massenproduktion programmierbarer Chips zum Einsatz in Mobilfunk-Basisstationen. Die Bristoler Icera Inc. soll das Interesse von Handy-Herstellern für seine SDR-Chips geweckt haben. Allerdings wollten die potenziellen Icera-Kunden derzeit nicht genannt werden. Im Silicon Valley entwickele 3Plus1 auf geringe Kosten und niedrigen Energieverbrauch hin optimierte Chips, die für den Einsatz in Mobilfunkbasisstationen gedacht seien.

Naheliegend erscheint etwa die Anwendung von SDR in Notebooks, die dank upgrade-fähiger Funkmodems zu standardoffenen und zukunftssicheren Reisebegleitern werden könnten. Andere Anwendungsszenarien sind der Einsatz von SDR-Chips in Testgeräten für Mobilfunknetze oder in Überwachungsgeräten, die dank SDR flexibel einsetzbar wären. Das Wall Street Journal zitiert aber auch Analysten, die die Chancen von SDR zumindest im Massengeschäft skeptisch bewerten. In Nordamerika etwa, wo die Mobilfunkanbieter unterschiedliche Standards einsetzen, hätten die Carrier keinerlei Interesse daran, netzübergreifend funktionsfähige Handys unters Volk zu bringen, da dies der Awanderung von Kunden Vorschub leisten könnte. Zwar entdeckten auch Chip-Giganten wie Texas Instruments oder Intel das Potenzial von SDR -- hielten dies im Gegensatz zu den Startup-Firmen allerdings für beschränkt: So benötige ein Handy, das in verschiedenen Frequenzbereichen, wie zum Beispiel GSM-900 und -1800, verwendbar ist, für jedes Frequenzband einen separaten Transceiver (Sende-/Empfangseinheit), der sich nicht durch Software ersetzen lasse. (ssu)