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Sternschnuppen-Jagd: Perseiden 2020 finden und fotografieren 46 Kommentare

Katja Seidel
Sternschnuppen-Jagd: Perseiden 2020 finden und fotografieren

Bei diesem Bild von 2016 handelt es sich um eine Collage aller Aufnahmen aus dieser Nacht, die eine Sternschnuppe enthielten.

(Bild: Katja Seidel)

Neowise hat sich verabschiedet, die Perseiden kommen: Der Meteorstrom erreicht bald seinen Höhepunkt. Wo er zu sehen ist und wie man ihn fotografiert.

Astrofotografen haben derzeit keine Verschnaufpause, denn nachdem der Komet Neowise sie im Juli wachhielt, zeigen sich nun vermehrt die Perseiden. Und auch hier ist ein Komet nicht ganz unschuldig: Die Sternschnuppen, die wir am Himmel sehen, haben ihren Ursprung in den Überbleibseln des Kometen 109P/Swift-Tuttle, dessen Staubspur die Erde jedes Jahr kreuzt. Seinen Höhepunkt erreicht der wiederkehrende Meteorstrom am Mittwoch, den 12. August – genau genommen zwischen 10 und 23 Uhr.

Optimale Bedingungen, die Perseiden dann zu beobachten und zu fotografieren, sind das nicht. Dennoch sollte das niemanden abhalten, bei passendem Wetter los zuziehen und sein Glück zu versuchen. Der Aktivitätszeitraum der Perseiden ist nämlich vergleichsweise lang und dauert von Mitte Juli bis fast Ende August.

Astrofotografie für Einsteiger bis Fortgeschrittene

Sehr gute Chancen hat man beispielsweise am frühen Morgen des 12. Augusts vor der Dämmerung. Dann steht das Sternbild Perseus hoch am Himmel, welches der scheinbare Ursprung dieses Meteorstroms ist. Das Sternbild gilt deshalb als sogenannter Radiant und ist gleichzeitig Namensgeber für die Perseiden. Die Erde bewegt sich zu dieser Zeit außerdem direkt in den Meteorschauer hinein, sodass man hier besonders viele Sternschnuppen sehen sollte. Ein kleiner Störfaktor könnte das Licht des abnehmenden Mondes sein. Andererseits hilft es auch, mögliche Vordergründe etwas aufzuhellen und erlaubt so ansprechende Bildkompositionen mit Landschaft.

Erfahrungsgemäß zeigen sich hellere und längere Meteore etwas entfernt vom Radianten. In diesem Jahr bietet es sich beispielsweise an, das Sternbild Perseus an den rechten Bildrand zu setzen und den Polarstern etwa in der Bildmitte zu positionieren. Der Mond stünde in diesem Fall außerhalb des gewählten Bildausschnitts und beleuchtet die Szene aus Richtung Osten.

Katja Seidel

Auch 2020 möglich: Perseide(n) und Milchstraße in einer Aufnahme.

(Bild: Katja Seidel)

Auch die Nacht vom 12. auf den 13. August liefert höchstwahrscheinlich spannende Motive. Gerade in den Abendstunden nach der Dämmerung steht der Mond noch nicht am Himmel, daher besteht die Chance, die Perseiden gemeinsam mit dem Milchstraßenzentrum zu erwischen. Zwar liegt der Radiant eigentlich in der genau gegenüberliegenden Himmelsrichtung, aber mit etwas Glück lässt sich diese Bildkomposition realisieren.

Welche Motive gelingen können, hängt maßgeblich vom Standort ab. Abgesehen von den Rahmenbedingungen, die durch Lichtverschmutzung, Landschaft und Wetter bestimmt werden, sind Dämmerungs- und Mondaufgangszeiten ebenfalls stark ortsabhängig. Auf Usedom im Nordosten Deutschlands beispielsweise beginnt die Dämmerung am Morgen des 12. Augusts bereits um 2:50 Uhr. Am Abend ist es erst 23:25 Uhr maximal dunkel (Ende der astronomischen Dämmerung). Das Milchstraßenzentrum steht dann aber nur noch 3,5 Grad über dem Horizont. Hinzu kommt, dass der Mond bereits 23:56 Uhr aufgeht. Die Bedingungen für eine Milchstraßen-Perseiden-Aufnahme sind damit an diesem Ort eher schlecht.

Ganz im Süden Deutschlands – in Berchtesgaden – sieht es dagegen bedeutend besser aus. Am Morgen des 12. Augusts beginnt es dort erst kurz vor 4 Uhr zu dämmern. Das Sternbild Perseus zeigt sich dann hoch am Himmel. Am Abend ist es bereits um 22:30 Uhr maximal dunkel. Das Milchstraßenzentrum steht zu diesem Zeitpunkt noch mehr als 12 Grad über dem Horizont und der Mond geht erst 0:25 Uhr auf. Das gibt Fotografen jede Menge Zeit, ansprechende Bilder zu machen.

Perseiden mit Zelt

Entscheidend für gelungene Perseiden-Motive ist der Standort.

(Bild: Katja Seidel)

Die Dämmerungszeiten sind jedoch eher als Richtwerte zu verstehen. So lässt sich die Milchstraße beispielsweise bereits 20 bis 30 Minuten vor dem Ende der astronomischen Dämmerung gut fotografieren. Und auch der aufgehende Mond braucht erst eine gewisse Höhe, um den Himmel für eine Milchstraßenaufnahme zu sehr auszuleuchten.

Wer seine Fototour konkreter planen will, findet einen geeigneten Standort auch mithilfe von Apps wie beispielsweise "PhotoPills" (für iOS [13] und Android [14], kostenpflichtig) oder "Planit Pro" (für iOS [15] und Android [16], kostenpflichtig). Sie zeigen nicht nur alle relevanten Informationen zu den Dämmerungszeiten, sondern simulieren auch Mond- oder Sonnenstand sowie den Verlauf der Milchstraße an einem beliebigen Fotospot und zu einem gewünschten Zeitpunkt. Nicht zuletzt kann die spätere Bildkomposition sogar virtuell begutachtet werden – entweder vor Ort mit der Augmented Reality (AR) Funktion in "PhotoPills" oder vom Sofa aus über die Virtual Reality (VR) Funktion in "Planit Pro".

Bei der einfachen Suche nach dem Sternbild helfen kostenlose Apps wie beispielsweise Star Walk 2 (als kostenlose Versionen für iOS [17] und Android [18] erhältlich), welche die Sensoren des Smartphones nutzen, um die am Himmel sichtbaren Objekte anzuzeigen. Mit Wetter-Apps und Lichtverschmutzungskarten stecken Sie weitere Rahmenbedingungen für Ihren Standort ab.

Sternschnuppen aufzunehmen ist kein Hexenwerk, erfordert aber dennoch ein paar Hilfsmittel, denn die Meteore bewegen sich sehr schnell. Erst auszulösen, wenn sie auftauchen, funktioniert in der Regel nicht. Unentbehrlich ist deshalb ein Stativ, auf dem Kamera und Objektiv über einen gewissen Zeitraum sicher und ruhig stehen. Dazu empfiehlt sich die Arbeit mit einem Intervallauslöser für Serienaufnahmen, der entweder in der Kamera integriert ist, oder extern angeschlossen wird.

Mit solchen Serienaufnahmen stellt man sicher, dass die Fotos in gleichen Abständen mit einer festgelegten Belichtungszeit gemacht werden. Das hat gleichzeitig den Vorteil, dass man sich selbst praktisch nicht mehr um die Ausrüstung kümmern muss, sondern entspannt das Schauspiel am Himmel beobachten kann.

Bei längeren Aufnahmeserien empfiehlt es sich zudem, mit einer Heizmanschette um das Objektiv beziehungsweise dessen Sonnenblende zu arbeiten, um die Linse vor möglichem Taubbeschlag zu schützen. Eine solche Heizmanschette gibt es mit USB-Anschluss, über welchen sie von einer Powerbank mit Strom versorgt werden kann. Zur Not hilft jedoch auch ein Taschenwärmer, der ans Objektiv geklebt wird. Eine Schwachstelle könnte außerdem der Akku sein, dessen Füllstand man im Auge behalten sollte. Gegebenenfalls ist es hier sinnvoll, über eine externe Stromversorgung nachzudenken. Es wäre schließlich mehr als ärgerlich, wenn man dadurch Aufnahmen verliert oder die Serienaufnahmen unterbrochen werden.

Katja Seidel

Wer auf Serienaufnahmen setzt, kann sie später beispielsweise nutzen, um Startrails samt Sternschnuppe zu erstellen.

(Bild: Katja Seidel)

Die Aufnahmeserie kann nämlich nicht nur für das Herauspicken einzelner Meteoraufnahmen genutzt werden, sondern alternativ zu Startrails oder Zeitraffern zusammengesetzt werden. Aus etwa 5 bis 25 nacheinander aufgenommenen Einzelbildern kann zudem mithilfe der Technik des Astrolandschaftsstackings ein rauschärmeres Gesamtbild erzeugt werden. Wie genau das gehen kann, zeige ich unter anderem in meinem Blog. [19] Nicht zuletzt lassen sich natürlich auch alle Meteoraufnahmen wie im Aufmacherbild oben zu einer Collage zusammenfügen.

Die konkreten Aufnahmeparameter sind dabei stark ortsabhängig – und wahrscheinlich müssen sie im Laufe der Nacht durch den aufgehenden Mond entsprechend angepasst werden. Für eine runde Sternabbildung kann man als grobe Faustformel 300 durch die verwendete Brennweite teilen, um die maximale Belichtungszeit zu errechnen. Arbeitet man also mit einem 24-Millimeter-Objektiv teilt man 300 durch 24 und kommt auf eine Belichtungszeit von etwa 12 Sekunden. Dies gilt für Kleinbildsensoren (Vollformatkameras). Nutzt man dagegen beispielsweise eine APS-C Kamera, muss man die Brennweite des Objektivs vorher noch mit dem Crop-Faktor der Kamera (z.B. 1,6 bei Canon oder 1,5 bei Nikon) multiplizieren. Wenn nötig, addiert man noch ein paar Sekunden auf die errechnete Zeit – erst in der Vergrößerung des Bildes wird man leichte Strichspuren erkennen.

Um die ISO möglichst gering zu halten (nachts i.d.R. zwischen 1600 und 6400), empfiehlt es sich außerdem, mit geöffneter Blende zu arbeiten. Vorsicht jedoch an dieser Stelle: Manche Objektive erzeugen bei Offenblende keine scharfen Aufnahmen – dies sollte am besten vorher getestet werden. Grundsätzlich lohnt es sich, hier ein wenig experimentieren, um die passenden Einstellungen für das eigene Equipment zu finden.

Neben den drei Parametern der Belichtungszeit, ISO und Blende ist es wichtig, mindestens auch die folgenden Einstellungen an der Kamera vorzunehmen:

Nun folgt die letzte aber zugleich meist größte Herausforderung in der Nachtfotografie: das Scharfstellen. Hierfür sollte das Objektiv bereits grob scharfgestellt sein – beispielsweise über die Entfernungs-Skala auf dem Tubus. Ist dies erledigt, aktiviert man den LiveView an der Kamera und stellt die maximale Vergrößerung ein. Nun "sucht" man mit dem Cursor nach eventuell sichtbaren Sternen (hellen Punkten). Sind welche zu sehen, gilt es vorsichtig am Fokusring des Objektivs zu drehen, bis die Punkte maximal klein sind. Das Objektiv ist nun erfolgreich auf unendlich fokussiert. Sollten keine Sterne im LiveView sichtbar sein, kann auch eine andere helle Lichtquelle oder ein mit der Taschenlampe beleuchteter Gegenstand in der Umgebung als Fokussierhilfe dienen. Die Entfernungsskala auf dem Objektiv ist erfahrungsgemäß nicht ausreichend für eine exakte Fokussierung.

Eine Probeaufnahme vor dem Start der Serienaufnahmen sollte am besten direkt vor Ort am Display überprüft werden – sowohl auf Schärfe als auch auf eine korrekte Belichtung. Zur Beurteilung der Schärfe hilft der maximale Zoom auf dem Kameradisplay. Die Helligkeit lässt sich am besten anhand des Histogramms überprüfen, da heutige Kameradisplays die Bilder häufig heller darstellen als sie tatsächlich sind. (ssi [20])


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[3] https://www.heise.de/ratgeber/Astrofotografie-So-fotografieren-Sie-die-Sterne-mit-Teleskop-und-Kamera-8972186.html
[4] https://www.heise.de/ratgeber/Astrofotografie-Die-Kamera-ans-Teleskop-anschliessen-6188193.html
[5] https://www.heise.de/ratgeber/Teleskope-Montierung-Herausforderungen-Astro-Fotografie-fuer-Fortgeschrittene-4510744.html
[6] https://www.heise.de/hintergrund/Astrofotografie-So-echt-sind-die-Farben-in-den-Fotos-des-Weltraums-9287654.html
[7] https://www.heise.de/news/Herausforderung-Astro-Landschaftsaufnahmen-3180522.html
[8] https://www.heise.de/ratgeber/Mondlichtfotografie-Die-Nacht-zum-Tag-machen-4460616.html
[9] https://www.heise.de/ratgeber/Fotopraxis-Hochaufloesende-Mondbilder-mit-einfachen-Mitteln-6008176.html
[10] https://www.heise.de/ratgeber/Milchstrassenfotos-Besser-planen-und-richtig-faken-4722237.html
[11] https://www.heise.de/ratgeber/Milchstrassenfotografie-Methoden-zur-Rauschreduzierung-6008749.html
[12] https://www.heise.de/ratgeber/Startrails-fotografieren-Landschaften-mit-Sternspuren-gestalten-5077558.html
[13] https://apps.apple.com/de/app/photopills/id596026805
[14] https://play.google.com/store/apps/details?id=com.photopills.android.photopills&hl=de
[15] https://apps.apple.com/de/app/planit-pro-photo-planner/id898876435
[16] https://play.google.com/store/apps/details?id=com.yingwen.photographertoolspro&hl=de
[17] https://apps.apple.com/de/app/star-walk-2-sternenatlas-ar/id892279069
[18] https://play.google.com/store/apps/details?id=com.vitotechnology.StarWalk2Free&hl=de
[19] https://nacht-lichter.de/sls-vs-sequator
[20] mailto:ssi@heise.de