Wie KI die Stadtplanung unterstützen kann

Eine chinesische Forschungsgruppe hat Software entwickelt, die besser Flächennutzungs- und Straßenpläne erstellen kann als menschliche Experten.

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(Bild: Mirexon / Shutterstock.com)

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Experten sind davon überzeugt, dass KI die Stadtplanung gründlich verändern wird. Denn Software könnte in Zukunft nicht nur nach verschiedenen Zielen optimierte Vorschläge für Bebauungs- und Straßenpläne vorlegen, sie kann diese Pläne auch gleich auf ihre Auswirkungen hin abklopfen – zum Beispiel in Bezug auf das Klima. Bislang existieren solche Lösungen allerdings nicht. Wenngleich etwa Google mit seinem Datenanalyse-Tool "Environmental Insights Explorer" (EIE) Städten eine Möglichkeit bietet, bereits existierende Pläne auf bestimmte Kriterien hin (zum Beispiel Emissionen oder Baumbestand) zu prüfen und so die Stadtplaner unterstützen kann, so hat die vollautomatische Stadtentwicklung – so sie denn überhaupt wünschenswert wäre – noch zahlreiche technische Hürden zu überwinden.

Einige Teilprobleme sind nun allerdings gelöst: In einer aktuell in "Nature Computational Science" veröffentlichten Studie stellen chinesische Forschende ein maschinelles Lernmodell vor, das selbstständig Flächennutzungs- und Straßenpläne für Stadtviertel erstellen kann und dabei menschliche Experten übertrifft.

Yong Li von der Tsinghua University in Peking und seine Kollegen nutzten dafür einen Reinforcement-Learning-Ansatz: Beim Reinforcement-Learning geht das zu trainierende Modell zu Anfang rein zufällig vor, und lernt durch Versuch und Irrtum eine optimale Strategie.

Konkret musste das Modell in einem vorgegebenen Gebiet einer virtuellen Stadt sequenziell Flächen zuweisen und Straßen planen, bis das Gelände vollständig ausgefüllt war. Anschließend wurde der fertige Plan nach den Kriterien in Anlehnung an das Konzept der 15-Minuten-Stadt bewertet. Das heißt, der Plan erhielt eine hohe Punktzahl, wenn Parks und Teile der öffentlichen Infrastruktur für die Anwohner innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder per Rad erreichbar waren und die Verkehrswege effizient funktionierten.

Wesentlich für den Erfolg der Software waren dabei zwei Ideen: Zum einen repräsentierten die Autoren das zu planende Stadtviertel als abstrakten, mathematischen Graphen. Darin sind Gebäude beziehungsweise Grundstücke die Knoten. Zwei unmittelbar aneinander grenzende städtische Objekte sind dabei über eine Kante miteinander verbunden. Der "Urban Contiguity Graph" vereinfacht die Berechnungen erheblich, denn er reduziert die unter Umständen komplizierte Geometrie der Stadt auf typologische Bezüge.

Zum anderen trainierten die Autoren nicht nur ein Modell, sondern teilten die Aufgaben auf. In ihrer Software gibt es ein neuronales Netz, das eine Policy für die Verteilung von Gebäuden gelernt hat, ein zweites, das auf Straßenplanung trainiert ist und ein "Value Network", das die Planung in Bezug auf die Kriterien der 15-Minuten-Stadt bewertet.

Anhand einer virtuellen Stadt und zwei Stadtvierteln von Peking musste das trainierte Modell seine Fähigkeiten zeigen. In dem Paper schreiben die Autoren, dass die räumliche Flächen- und Straßenlayouts der Software die von anderen Algorithmen und professionellen menschlichen Designern erstellten Layouts in Bezug auf alle betrachteten Metriken um etwa 50 Prozent übertrafen und dabei bis zu 3.000 Mal schneller waren. Allerdings funktioniert das Modell im Moment nur für kleinere Stadtviertel von maximal vier Quadratkilometern. Komplette Städte lassen sich damit nicht planen. Dieses Problem sei wesentlich komplexer, schreiben die Forschenden, weil man dabei das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Subsysteme der Stadt berücksichtigen müsse.

Die Ergebnisse bedeuten nach Ansicht von Li und Kollegen zudem keineswegs, dass die Stadtplanung von nun an vollautomatisch laufen sollten – es ginge nicht darum, menschliche Planer zu ersetzen. Vielmehr schwebt ihnen eine Unterstützung menschlicher Experten durch die Software vor, was immerhin noch zu einer Verbesserung der Effizienz von bis zu 15 Prozent führen soll.

(wst)