Streit über Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen verlagert sich nach Brüssel
Der IT-Branchenverband Bitkom fordert im Rahmen der Neufassung der Rundfunkmitteilung der EU-Kommission eine stärkere Eingrenzung der Tätigkeiten gebührenfinanzierter Sender, die meisten Bundestagsparteien sind anderer Meinung.
Der zähen Auseinandersetzung über Grenzen für ARD und ZDF im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag droht eine Fortführung in Brüssel. Dort gibt die anstehende Neufassung der sogenannten Rundfunkmitteilung, in der die EU-Kommission die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einheitlicher regeln will, den Interessenvertretern Gelegenheit, den Grundsatzstreit auf EU-Ebene neu auszufechten.
So fordert der IT-Branchenverband Bitkom in einer aktuellen Stellungnahme die Brüsseler Behörde auf, die Tätigkeiten gebührenfinanzierter Sender vor allem im Online-Bereich stärker einzugrenzen. Der Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestages erinnerte dagegen bereits Ende vergangenen Jahres daran, dass die nationale Kompetenz zur Gestaltung der Medienordnung uneingeschränkt bestehen bleiben müsse. Die Pläne der Kommission würden aber den hierzulande Verfassungsrang genießenden Funktionsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen als Garant für Meinungsbildung und kulturelle Vielfalt gefährden. Auch EU-Parlamentarier zeigten sich Anfang der Woche besorgt, dass die Kommission mit ihrem Vorhaben über das Ziel hinausschieße.
Der Bitkom würdigt grundsätzlich die gesellschaftliche Bedeutung gebührenfinanzierter Sender. Die "gleichermaßen Vielfalt sichernde Rolle privater Angebote" dürfe dabei aber nicht vergessen werden. Ein klares Wort der Kommission, dass die öffentlich-rechtlichen Angebote keine Wettbewerbsverzerrung bewirken dürfe, sei daher "unverzichtbar". Zudem müssten die Vorschriften für Verfahren zur Eigenprüfung des "öffentlichen Mehrwerts" von Beiträgen der Öffentlich-Rechtlichen, wie sie etwa der neue Rundfunksstaatsvertrag im Rahmen eines "Drei-Stufen-Tests" vorsieht, genauer gefasst werden und den Einbezug externen Sachverstands verlangen.
Für dringend nötig hält es die Lobbyvereinigung, dass Brüssel über eine präzise Definition des öffentlichen Auftrags Klarheit über den Tätigkeitsspielraum der Sendeanstalten schafft. "Sachgerecht" sei es dabei etwa, dass die Kommission Pay-per-View-Formate und direkt endkundenbasierte Abrechnungsmodelle für die Öffentlich-Rechtlichen nur im absoluten Ausnahmefall noch deren Funktionsauftrag zuordne. Es fehle nur noch der Hinweis, dass trotzdem über entgeltpflichtige Dienste erzielte Einnahmen zur Absenkung der allgemeinen Gebührenlast zu nutzen seien.
Weiter bedauert es der Verband, dass sich der aktuelle Entwurf "sehr bedeckt" halte, was neue Online-Angebote und -Formate abseits des Programmauftrags angehe. Hier sollte die Kommission Eckpunkte und dem Entfaltungsdrang öffentlich-rechtlicher Sender klare Grenzen setzen. Dies betreffe insbesondere die Frage, "in welchem Umfang Inhalte als Abrufangebote in Mediatheken eingestellt werden dürfen". Zudem weist der Bitkom darauf hin, dass "Ressourcen wie terrestrische Sendeanlagen, Markenwert oder Content-Einkauf selbstverständlich Wettbewerbsfaktoren" seien und entsprechend berücksichtigt werden müssten.
Im Gegensatz zur Mehrheit der Medienpolitiker im Bundestag, die eine Revision der Rundfunkmitteilung im Prinzip nicht für erforderlich hält, begrüßt die FDP-Fraktion den Ansatz der Kommission. Von einem zu weit gehenden Eingriff in nationale Kompetenzen könne keine Rede sein, schreiben die Medienexperten der Liberalen in einem Positionspapier von dieser Woche. Verbesserungsbedarf sehen sie aber noch im Detail. So sei die FDP etwa der Ansicht, dass kommerzielle Tätigkeiten grundsätzlich nicht zum Aufgabenbereich der Öffentlich-Rechtlichen gehören. Ferner plädieren die Liberalen für eine Festschreibung eines grundsätzlichen Verbots von Werbung und Sponsoring im gebührenfinanzierten Rundfunk, da ein solches diesen "in seiner Aufgabenwahrnehmung nachhaltig stärken würde". Eine solche Regelung würde die Wettbewerbsgleichheit der nationalen Mediensysteme EU-weit verankern. (Stefan Krempl) / (vbr)