Streit um WLAN-Verschlüsselung in China spitzt sich zu

In der chinesischen Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, dass internationale Normungsgremien dem chinesischen WAPI-Standard auch deshalb Steine in den Weg legen, um US-Firmen Lizenzeinnahmen zu sichern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 97 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Chinas Führung soll im Streit um einen sicheren Wireless-Standard intervenieren. Das fordert Li Jinliang von der Chinese Academy of Electronics, nachdem es bei einem Treffen der ISO-Standardisierungsorganisation in der vergangenen Woche in Prag zu einem Eklat kam: Vertreter der chinesischen Standardisierungsbehörde SAC hatten die Prager Sitzung unter Protest verlassen, nachdem die Diskussion von Verfahrensfragen zur Ablehnung des von der SAC favorisierten WLAN Authentication and Privacy Infrastructure-Standard (WAPI) nicht zugelassen worden war.

WAPI hatte im März mit 8 : 17 Stimmen der ISO-Mitglieder eine Abfuhr erhalten, während der vom Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) eingebrachte 802.11i-Standard glatt durchging. Beide Standards sollen Sicherheitsproblemen abhelfen, die frühere WLAN-Übertragungsprotokollen mit sich brachten. WAPI ist jedoch unter anderem deshalb umstritten, weil der Chiffrieralgorithmus nicht offengelegt ist, was auch die Angst vor einer Überwachung der WLAN-Kommunikation durch staatliche Organe schürt.

ISO und die International Electrotechnical Commission (IEC) seien noch immer dabei, mit Vertretern der SAC Verfahrensfragen zu klären, sagte ISO-Vizegeneralsekretär Kevin McKinley gegenüber heise online. Die SAC habe bereits am 29. April und 19. Mai Bedenken bei der ISO zur Ablehnung von WAPI als internationalem Standard angemeldet. "Wir haben sofort daraufhin das Verfahren überprüft und dem SAC am 24 Mai geantwortet", erklärte McKinley und fügte hinzu, dass man mit den Chinesen im Gespräch bleiben werde.

Beim aktuellen Treffen, einem so genannten "Ballot Resolution Meeting" (BRM), sei es darum gegangen, technische Kommentare zu den Vorschlägen zu diskutieren. "Es ist ISO und IEC bewusst, dass die SAC-Delegierten beim BRM Verfahrensfragen diskutieren wollten. Das ist im Rahmen der BRM-Treffen aber nicht vorgesehen. Leider haben die SAC-Delegierten daher beschlossen, nicht weiter an dem Treffen teilzunehmen."

Von Beginn an, sagte Li Jinliang, sei die WAPI-Entwicklung durch die Industrieländer unter Druck geraten. Das Nachrichtenportal Sohu meldet außerdem, dass der Ende 2003 in China vorgestellte WAPI-Standard auch ein Symbol für den Kampf um Patente und Urheberrechte zwischen den USA und China darstelle – auch beim 3G-Mobilfunk wollen die Chinesen mit TD-SCDMA einen eigenen Standard etablieren, um Lizenzzahlungen zu reduzieren. Dem IEEE werfen chinesische Verteter chinesischen Medienberichten zufolge "Manipulationen" und gegen den WAPI-Standard gerichtete Propaganda vor. IEEE-Vertreter hatten vor nationalen Standardgrenzen für WLAN-Nutzer gewarnt, nachdem China WAPI eingeführt hatte. Gleichzeitig hatte man sich aber offen gezeigt, WAPI in die Familie der 802.11-Standards aufzunehmen.

Eine Umfrage auf einem kleineren chinesischen Internet-Portal soll außerdem belegen, dass chinesische Leser den Verdacht der Manipulation für berechtigt halten. Li Jinliang ist der Meinung, dass "es jetzt an der Zeit ist, dass die chinesische Regierung mit diplomatischen Mitteln für eine faires Umfeld für WAPI sorgt".

ISO-Mann McKinley versucht einstweilen, die Wogen zu glätten. "Wir begrüßen alle Bemühungen, um internationale Standards zu schaffen, die global akzeptiert und eingesetzt werden. ISO- und IEC-Dokumente sind dynamische Dokumente, die in regelmäßigen Abständen überprüft und an den technologischen Fortschritt angepasst und verbessert werden." (Monika Ermert) / (ssu)