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Streit wegen CryEngine-Lizenz: Crytek verklagt Star-Citizen-Macher

Fabian A. Scherschel
Streit über CryEngine-Lizenz: Crytek verklagt Star-Citizen-Macher

Aktueller Star-Citizen-Splash-Screen mit Amazon-Lumberyard-Logo

(Bild: Fabian A. Scherschel / heise online)

Die deutschen Entwickler von Crytek verklagen die Macher des Weltraumepos Star Citizen. Diese sollen wissentlich den Lizenzvertrag für die CryEngine verletzt haben. Stimmt das Gericht den Deutschen zu, steht das gesamte Crowdfunding-Projekt auf der Kippe.

Der deutsche Videospiele-Entwickler Crytek verklagt die Macher der Weltraumsimulation Star Citizen (Cloud Imperium Games, Roberts Space Industries) wegen Star Citizens Nutzung der von Crytek entwickelten CryEngine. In der Klage, die vor einem Bundesgericht in Kalifornien anhängig ist [1], behauptet Crytek, die Star-Citizen-Entwickler hätten ihr Copyright verletzt und mehrere grundlegende Vertragsbestandteile wissentlich missachtet. Sie wollen Strafzahlungen durch CIG und RSI und eine einstweilige Verfügung erreichen. Kommt das Gericht dieser nach, dürften die Star-Citizen-Macher die CryEngine nicht mehr verwenden.

Vor der äußerst erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne zu Star Citizen [2] hatten sich die Entwickler unter Leitung von Firmenchef Chris Roberts und Rechtsbeistand Ortwin Freyermuth mit Crytek darauf geeinigt, die CryEngine für die Entwicklung des Spiels zu lizenzieren, schildert Crytek. Die deutschen Spielentwickler produzierten daraufhin mehrere Render-Videos, um die Star-Citizen-Crowdfunding-Kampagne zu bewerben. Crytek gibt in der Klageschrift an, so ausschlaggebend am Crowdfunding-Rekord von Star Citizen auf Kickstarter [3] beteiligt gewesen zu sein. Später habe man dann eine Lizenzvereinbarung unterzeichnet, die Cloud Imperium Games in mehreren Punkten wissentlich gebrochen habe.

Laut Crytek haben Cloud Imperium Games und Roberts Space Industries diesen Vertrag missachtet, indem sie das Star-Citizen-Projekt in zwei Spiele aufgeteilt haben: Das MMO Star Citizen und die Single-Player-Kampagne Squadron 42 [4]. Diese Spiele hätten sie demnach nicht getrennt vermarkten und verkaufen dürfen. Ob das gemeinsame Sammeln von Spenden, wie es RSI für Star Citizen und Squadron 42 betreibt, in diesem Zusammenhang rechtlich relevant ist, wird wohl das Gericht entscheiden müssen.

Des weiteren wirft Crytek Roberts und Konsorten vor, ab mindestens September 2016 ihr Spiel nicht mehr mit dem CryEngine-Logo beworben zu haben. Ab Mitte 2016 hatte CIG davon Abstand genommen, in Entwicklungsberichten zum Spiel von der CryEngine zu sprechen. Die Entwickler ließen damals verlauten, sie hätten die Engine so sehr optimiert, dass jetzt von einer eigenen Engine gesprochen werden könnte. Der Name "StarEngine" stand zeitweilig im Raum. Anfang 2017 gab Chris Roberts dann bekannt, das Spiel sei zur Lumberyard-Engine von Amazon [5] gewechselt. Momentan prangt auf dem Star-Citizen-Splash-Screen das Lumberyard-Logo.

Lumberyard ist eine Engine von Amazon, die auf dem Gerüst der CryEngine basiert. Berichten zufolge können Spiele-Entwickler sie viel preisgünstiger lizenzieren, verpflichten sich aber, die Amazon Web Services (AWS) zu verwenden, die integral in die Engine eingebettet sind. Laut Crytek haben CIG und RSI allerdings in ihrer Lizenzvereinbarung versichert, für das Star-Citizen-Projekt exklusiv die CryEngine einzusetzen – und Crytek so Tantiemen am Verkauf des Spiels zuzusichern. Demnach hätten die Entwickler gar nicht von der CryEngine wechseln dürfen.

Laut der Klageschrift haben die Star-Citizen-Entwickler Crytek versprochen, Bugfixes, die sie an der Engine vornehmen, mit Crytek zu teilen. Das sei nie passiert, erklärte die deutsche Firma. Die Star-Citizen-Macher unterhalten ein Büro in Frankfurt unweit vom Crytek-Hauptsitz. Eigentlich dürfte es also an Kommunikationsmöglichkeiten nicht gemangelt haben.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Gerüchte unter deutschen Szene-Insidern, dass CIG beziehungsweise RSI Engine-Programmierer von Crytek in Frankfurt abgeworben habe. Vor allem in Zeiten, als es um Crytek wirtschaftlich eher schlecht bestellt war [6]. In diesem Zusammenhang ist es besonders pikant, dass Crytek in der Klageschrift behauptet, CIG-Mitbegründer und -Chefanwalt Freyermuth habe früher Crytek bei Lizenzverhandlungen vertreten. Freyermuth hätte dann aber auf der CIG-Seite die Lizenzverhandlungen über die CryEngine geführt. Der Verhandlungspartner für Crytek, Carl Jones, arbeitet heute ebenfalls für Cloud Imperium Games.

Schiffe, Hangars, Weltraumschlachten: Chris Roberts "Star Citizen" (0 Bilder) [7]

[8]

In der Klage wirft Crytek mindestens Freyermuth vor, vertrauliche Informationen über die Geschäftspraktiken der deutschen Firma gehabt zu haben. Das habe CIG bei den Verhandlungen einen "unfairen Vorteil" verschafft.

Neben den Vertragsverletzungen will Crytek auch für Verletzung des eigenen Urheberrechts durch CIG und RSI entschädigt werden. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass die Klage vor einem Bundesgericht anhängig ist, da diese in den USA für Copyright-Streitigkeiten zwischen US-Firmen und ausländischen Parteien zuständig sind. Crytek wirft den Star-Citizen-Entwicklern vor, vertraulichen CryEngine-Quellcode in ihren YouTube-Videos veröffentlicht zu haben.

Die Klageschrift bezieht sich dabei konkret auf die Sendung Bugsmashers, eine der diversen Video-Shows, die CIG und RSI produzieren, um die Crowdfunding-Spender über die Entwicklung des Spieles auf dem Laufenden zu halten. In Bugsmashers zeigen Entwickler, an welchen besonders hartnäckigen Bugs sie gerade sitzen, und zeigen dabei, wie sie die Probleme lösen – oft auch, indem sie den Quellcode im Video einblenden. Crytek ist der Meinung, die Entwickler hätten so Betriebsgeheimnisse der CryEngine öffentlich gemacht, was die Lizenzvereinbarung zwischen Crytek und CIG/RSI angeblich deutlich untersagt.

Außerdem soll Cloud Imperium Games der Firma Faceware Zugang zum CryEngine-Code gegeben haben, ohne vorher die Erlaubnis von Crytek einzuholen, was ebenfalls eine Vertragsverletzung darstelle. Faceware arbeitet für die Star-Citizen-Macher an Gesichtserkennungstechnik, die Chris Roberts im Rahmen der diesjährigen Gamescom gezeigt [9] und in Zukunft als integraler Teil des Spiels versprochen hatte.

Gegenüber heise online teilte Cloud Imperium Games mit, das Unternehmen nutze die CryEngine "seit einiger Zeit nicht mehr", es sei zur Lumberyard-Engine gewechselt. Die Crytek-Klage sei "wertlos" und CIG werde sich energisch dagegen zur Wehr setzen. Was die Konsequenzen für die Entwicklung des Weltraum-Epos und dessen Unterstützer sind, ist noch nicht abzusehen. Sollte Crytek eine einstweilige Verfügung erwirken, ist es denkbar, dass das Gericht den Entwicklern um Chris Roberts verbietet, die Teile der CryEngine, die von dem Projekt verwendet werden, weiter zu benutzen. Das könnte sechs Jahre Entwicklung an dem Mammutprojekt gefährden.

Außerdem steht im Raum, dass CIG unter Umständen erhebliche Entschädigungen an Crytek zahlen muss. Wie viele der über 173 Millionen US-Dollar [10], die das Projekt bereits aus Spenden eingenommen hat, dafür noch zur Verfügung stehen, ist nicht öffentlich bekannt. Viele der Spender werden wohl wenig erfreut sein, mit ihren Spenden nun Anwaltskosten und eventuelle Entschädigungszahlungen aus einem Gerichtsverfahren zu bezahlen. Star Citizen ist ohnehin notorisch verspätet; dass die Entwickler sich nun auch noch mit einem publikumseträchtigen Verfahren herumschlagen müssen, ist sicher nicht im Sinne der Spender.

Auch bleibt abzuwarten, ob etwaige negative Schlagzeilen den ohnehin schon angeschlagenen Ruf von Crowdfunding-Kampagnen noch weiter in den Schmutz ziehen. Das Star-Citizen-Projekt steht bereits in der Kritik [11] dafür, nach Millioneneinnahmen und jahrelanger Entwicklung immer noch kein fertiges Spiel geliefert zu haben. Außerdem sind die Entwickler in der Vergangenheit nicht gerade durch ein freundliches Verhältnis zur Spielepresse aufgefallen [12], wenn diese die Kritiker zu Wort kommen lässt. Nun kommt eine potenziell kostspielige gerichtliche Auseinandersetzung mit Crytek hinzu, die augenscheinlich durchaus vermeidbar gewesen wäre.

Update am 14.12.2017, 17:38 Uhr: Meldung um die Stellungnahme von Cloud Imperium Games ergänzt.

In diesem Zusammengang immer noch aktuell ist dieser Kommentar zu Star Citizen: Hört auf, uns für dumm zu verkaufen! [13] (fab [14])


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https://www.heise.de/-3918091

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.pacermonitor.com/public/case/23222744/Crytek_GmbH_v_Cloud_Imperium_Games_Corp_et_al
[2] https://www.heise.de/news/Chris-Roberts-will-mit-Star-Citizen-zurueck-auf-Spieler-PCs-1733046.html
[3] https://www.heise.de/news/Weltraumsimulation-Star-Citizen-Ueber-100-Millionen-Dollar-gesammelt-und-viel-Kritik-3043705.html
[4] https://www.heise.de/news/Chris-Roberts-verschiebt-Star-Citizen-Solokampagne-Squadron-42-auf-unbestimmte-Zeit-3863670.html
[5] https://www.heise.de/news/Lumberyard-Amazon-bringt-kostenlose-3D-Game-Engine-auf-CryEngine-Basis-3097770.html
[6] https://www.heise.de/news/Kein-Gehalt-Englische-Crytek-Mitarbeiter-legen-Arbeit-nieder-2249791.html
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_2293461.html?back=3918091;back=3918091
[8] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_2293461.html?back=3918091;back=3918091
[9] https://www.heise.de/news/Star-Citizen-Spielermimik-als-Gesichtsanimation-und-immer-noch-kein-Erscheinungstermin-3814183.html
[10] https://robertsspaceindustries.com/funding-goals
[11] https://www.heise.de/news/Dauer-Alpha-Star-Citizen-150-Millionen-eingesammelt-Angst-vor-Kernschmelze-fuer-Crowdfunding-3723223.html
[12] https://www.heise.de/news/Spielejournalismus-Star-Citizen-Entwickler-lassen-kritischen-Pressebericht-loeschen-3672392.html
[13] https://www.heise.de/news/Kommentar-zu-Star-Citizen-Hoert-auf-uns-fuer-dumm-zu-verkaufen-3347612.html
[14] mailto:contact@fab.industries