Studie: Älteste bekannte Meerespflanze lebt in der Ostsee

Ein Forschungsteam hat eine über tausend Jahre alte Meerespflanze gefunden – in der Ostsee. Es soll die bisher älteste bekannte Meerespflanze sein.

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Seegras im Meer mit leichtem Lichteinfall

Ein Seegras-Klon in der Ostsee ist die bisher älteste bekannte Meerespflanze.

(Bild: Damsea/Shutterstock.com)

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Die älteste bisher bekannte Meerespflanze lebt in der Ostsee: Der Seegras-Klon, den Forschende mithilfe einer neuen genetischen Uhr gefunden haben, sei 1402 Jahre alt, teilte das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel mit.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben das Alter eines großen marinen Pflanzenklons erstmalig genau bestimmen können. Dafür haben sie die Gensequenzen untersucht. "Eine wichtige Rolle spielen dabei ungerichtete, zufällige Mutationen in der Erbinformation, die im Laufe der Zeit so regelmäßig auftreten, wie Uhren ticken", teilte das Team mit, das seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht hat.

Das Seegras sei grundsätzlich zur geschlechtlichen Vervielfältigung über Blüten und Samen fähig, aber auch über Rhizome (Sprossachsen) im Sediment – also ungeschlechtlich, auch klonale Fortpflanzung genannt. Pflanzenklone verzweigten sich oder bildeten Knospen. So entstehe ein genetisch ähnlicher Nachkomme, der größer werden könne als ein Fußballfeld, erklärten die Forschenden. Die Pflanze entwickelt also immer neue Sprossen, die aber auf den gleichen Ursprungsspross zurückgehen. Gänzlich identisch seien die Klone dennoch nicht: Sogenannte somatische Mutationen, die im Laufe des Lebens der Pflanze entstanden sind, häufen sich in den Nachkommen an. Das Forschungsteam vergleicht dieses mit einem Tumorwachstum. Das machte sich das Team zunutze und entwickelte eine molekulare Uhr, die das Alter der Klone sehr genau bestimmen könne.

Das Große Seegras (Zostera marina) ist vom Pazifik bis zum Atlantik und Mittelmeer verbreitet. Die Ursprünge der ältesten Seegras-Pflanze konnten die Forschenden bis 1402 Jahre zurückverfolgen. "Dieser Klon erreichte dieses hohe Alter trotz einer rauen und wechselhaften Umwelt", schreibt das Team. "Damit übertrifft der Seegras-Klon das Alter des Grönlandhais oder der Arktischen Islandmuschel, die nur einige hundert Jahre alt werden." Die Untersuchungen verdeutlichten aber auch, dass die Größe eines Klons nicht unbedingt auf sein Alter schließen lasse.

Mit der genetischen Uhr, die das Team einsetzte, könnten die Forschenden nun herausfinden, wie alt weitere Klone seien. "Solche Daten sind wiederum Voraussetzung, um eines der langjährigen Rätsel der Evolutionsbiologie zu lösen, nämlich warum solche großen Klone trotz variabler und dynamischer Umgebungen überhaupt existieren können", sagt Thorsten Reusch, Professor für Marine Ökologie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die Forschungsansätze könnten außerdem auch dabei helfen, besseren Schutz für Korallen zu finden.

Für die Untersuchung nutzte das Team ein Seegras-Genom von hoher Qualität. Zudem hatte ein Teil des internationalen Teams 17 Jahre lang einen Seegras-Klon in Kulturtanks gehalten. Dieser diente als Referenzwert.

„Wir erwarten, dass andere Seegrasarten und ihre Klone der Gattung Posidonia (Neptungras) in Mittelmeer und vor der australischen Küste, deren Ausbreitung sich über mehr als zehn Kilometer erstrecken, noch viel höhere Alterswerte aufweisen und damit die mit Abstand ältesten Organismen der Erde sind“, sagt Reusch.

Das internationale Forschungsteam aus Kiel, London, Oldenburg und Davis, Kalifornien, stand unter der Leitung von Thorsten Reusch, (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel), Benjamin Werner (Queen Mary University London) und Iliana Baums (Professorin am Helmholtz Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg).

(are)