"Total verrückt": Anhaltende Temperaturrekorde in den Ozeanen sorgen für Wirbel

Die Ozeane sind weiterhin viel zu warm, aktuell etwa vor allem der Nordatlantik. Über die konkreten Ursachen wird noch diskutiert, über die wichtigste nicht.

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Sonne geht hinter Ozean unter

(Bild: ustas7777777/Shutterstock.com)

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Die globalen Ozeane sind weiterhin viel zu warm und auch wenn inzwischen das Klimaphänomen El Niño begonnen hat, ist sich die Forschung nicht einig, was genau dahintersteckt. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass die Abweichungen beispielsweise im Nordatlantik noch größer sind als im globalen Durchschnitt. Bislang gebe es zwar keinen Beweis dafür, dass ein sogenannter Klimakipppunkt überschritten wurde, aber das sei eine – wenn auch wenig wahrscheinliche – Möglichkeit, zitiert die Washington Post Tianle Yuan von der Universität Maryland. Für die großen Anomalien gibt es stattdessen verschiedene Erklärungsansätze, die möglicherweise auch im Zusammenspiel die Temperaturrekorde verantworten.

Die Meeresoberflächentemperatur (SST) ist jene Temperatur, die in einem Meter unter der Oberfläche vorherrscht. Ermittelt wird sie weltweit und kontinuierlich von Satelliten und Bojen. Einen Überblick über die globalen Mittelwerte und jene aus dem Nordatlantik gibt es tagesaktuell beim Climate Change Institute der Universität Maine in den USA. Diese Diagramme werden aktuell auch immer wieder in sozialen Netzwerken geteilt, um auf die Beispiellosigkeit der Situation hinzuweisen. So sind die Weltmeere aktuell 0,7 Grad Celsius wärmer als im langjährigen Mittel, im Nordatlantik liegen die Temperaturen sogar über ein Grad darüber.

Die Temperaturrekorde in den Weltmeeren erfolgen aktuell vor dem Hintergrund des Wechsels von El Niño zu La Niña. Bei beiden handelt es sich um gegensätzliche Veränderungen der Meeresströmungen im Pazifischen Ozean und während letztere dabei für merklich kühlere Jahresmitteltemperaturen sorgt, steckt ersterer hinter den wärmsten Jahren. Laut der US-Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA hat El Niño jetzt begonnen, in der Forschung geht man aber wohl nicht davon aus, dass das Klimaphänomen schon hinter den aktuellen Anomalien steckt. Weiterhin wird laut Washington Post gemutmaßt, dass Umweltschutzgesetze eine Mitschuld an der vergleichsweise plötzlichen und rapiden Erwärmung der Ozeane haben könnten.

Dabei geht es darum, dass seit einigen Jahren der erlaubte Anteil von Schwefel in den Kraftstoffen der Schifffahrt gesenkt werden muss. Dadurch sinkt aber auch der Schwefeldioxidanteil an den Emissionen. Weile diese Partikel Sonnenstrahlen ins All reflektieren, könnten sie bislang das wahre Ausmaß der Erderwärmung verdeckt haben. Jetzt da sie fehlen würde es entsprechend schneller wärmer werden.

Auch schwächer gewordene Winde über dem Atlantik, die weniger Saharasand über den Ozean wehen, könnten eine Mitschuld an der rapiden Erwärmung haben. Sogar der Ausbruch des Vulkans in Tonga könnte sich hier noch auswirken. Welche Entwicklung konkret für die Temperaturextreme verantwortlich sind, wird also noch diskutiert. Einig ist man sich aber, dass die zugrunde liegende Ursache der menschengemachte Klimawandel ist, schreibt die Washington Post.

Einige Kommentare aus der Wissenschaft zu den Werten sind dementsprechend dramatisch. Der Klimatologe Brian McNoldy von der Universität Miami etwa nennt die "völlig verrückt". Wer sich solche Zahlen regelmäßig ansehe, könne den eigenen Augen nicht trauen. Eliot Jacobson, ein Mathematikprofessor im Ruhestand, hat auf Twitter ein Diagramm geteilt, das deutlich macht, wie stark die Temperaturen im Nordatlantik aktuell abweichen. Es sei schwer, sich die Tragweite vorzustellen, meint er. Gegenüber Axios warnen Forscher aber vor Übertreibungen. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Prognosen zum Klimawandel falsch seien und etwas "dramatisch unterschätzt" werde. Es handle sich eher um Ausrufezeichen in einem Langzeittrend: "Das, was wir erwarten, ist schlimm genug", meint der Klimatologe Zeke Hausfather.

Bislang war angesichts des bevorstehenden El Niño vor allem gewarnt worden, dass die Auswirkungen 2024 besonders dramatisch sein dürften. Weil er wohl vergleichsweise stark sein wird, könnte er noch einmal zwischen 0,2 und 0,25 Grad Celsius auf die globale Erwärmung aufschlagen. Welche konkreten Folgen das haben wird, lässt sich zwar nicht vorhersagen, aber im Zuge der Klimaerwärmung wird seit Jahren vor der Zunahme von Wetterextremen gewarnt. Das wird sich wohl beschleunigen. Bei der Weltmeteorologiebehörde WMO geht man derweil davon aus, dass die nächsten fünf Jahre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die heißesten aufeinanderfolgenden seit Beginn der Aufzeichnungen sein werden. Sogar die 1,5-Grad-Marke könnte bereits überschritten werden.

(mho)