Studie: Digitalisierter Lebensstil kann beim Energiesparen helfen
Ein Forschungsteam hat berechnet, ob die Digitalisierung beim Energiesparen helfen kann. Das Fazit: ja, wenn sich die Technologie weiterentwickelt.
Digitale Lebensstile können beim Energiesparen helfen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung eines Forschungsteams vom Paul Scherrer Institut (PSI) und der ETH Zürich. Im Jahr 2050 sollen "digitale Lifestyles" – etwa das Arbeiten im Homeoffice – gegenüber 2020 zehn bis zwanzig Prozent weniger Energie in der Schweiz verbrauchen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten für die Berechnung eines der umfangreichsten Energiesystemmodelle Europas. Die Ergebnisse, die sich auf CO₂-Emissionen aus dem Energiesektor beziehen, haben sie nun im Fachjournal Energy Policy veröffentlicht.
Seit der Pandemie arbeiten viele Menschen nach wie vor teilweise oder ganz im Homeoffice. Sie sparen dadurch einerseits Sprit, verbrauchen aber auch durch Heizen, Kochen oder Videocalls mehr Energie – ein sogenannter Rebound Effekt. Dabei entsteht weniger Energieverbrauch an einer Stelle, was aber zu einem gesteigerten Verbrauch an anderer Stelle führt. Diese Effekte würden durch effizientere Technologien und einem veränderten Verhalten kompensiert, erklärt das Team. "Digitalisierung löst nicht alle Probleme", sagt Evangelos Panos, Mitautor der Studie, "aber sie unterstützt die Transformation des Energiesystems auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen."
Kombination aus zwei Modellen ermöglicht Berechnung
Die Grundlage für die Berechnungen war das Swiss Times Energy Systems Model (STEM-Energiemodell), welches der Simulation von Energiesystemen dient. "Sechs Millionen Gleichungen mit sechs Millionen Variablen repräsentieren das Schweizer Energiesystem und die Wechselwirkungen zwischen Technologien, Energie- und Emissionsträgern und Sektoren", teilt das PSI mit. "Über die Gleichungen sind die Variablen in vielen Dimensionen, auch über Zeit und Raum hinweg, miteinander verknüpft." Darüber ließen sich verschiedene Szenarien bis 2050 berechnen. In diesem Jahr will die Schweiz energieneutral sein.
Da dieses Modell allerdings sozio-ökonomische Faktoren nicht berücksichtigt, ergänzte das Team es mit einem weiteren Modell, das auch andere Fragen berücksichtigt – etwa wie Menschen Entscheidungen zu ihrem Energiekonsum treffen. "Wer nur noch im Homeoffice arbeitet, kauft sich vielleicht kein neues Auto mehr. Aber vielleicht schafft er sich zu Hause eine Wärmepumpe an, aber auch nur, wenn er Eigentümer der Immobilie ist und nicht Mieter", schreiben die Forscher. Entscheidungen wie diese hätten langfristig und in ihrer Gesamtheit einen großen Einfluss auf das Energiesystem. Das sei durch das Andocken des Socio-Economic Energy model for Digitalization (SEED-Modell) abgedeckt.
Bedarf im Verkehr sinkt, zu Hause steigen Strom- und Energieaufwand
"SEED bildet die Heterogenität der Entscheidungsprozesse der Akteure in Haushalten, Teilen des Dienstleistungssektors und der Industrie ab, um Synergien und Wechselwirkungen bei der Einführung energiesparender digitaler Dienstleistungen und Praktiken zu analysieren", heißt es in der Mitteilung.
Die Wissenschaftler stellten zwei Szenarien gegenüber: Im ersten stagniert die Digitalisierung durch das Desinteresse der Gesellschaft, im anderen befürwortet die Gesellschaft die Digitalisierung und die technische Entwicklung zieht entsprechend an. Nur im zweiten Szenario zeige sich der positive Einfluss auf den Energieverbrauch, so das Forschungsteam. So senke sich etwa der Energiebedarf im Verkehr bis 2050 um zwölf Prozent im Vergleich zu einem Stillstand, ausgehend von einem Stand von 2020. Zugleich erhöhe sich aber der Energiebedarf bei Strom und Heizung, was jedoch durch intelligente Thermostate und Wärmepumpen ausgeglichen werde. Zudem könnten intelligente und effiziente Elektrogeräte den Strombedarf in Wohnungen bis 2050 um 17 Prozent senken. Auch weitere Aspekte wie das Haushaltseinkommen und darauf basierende Konsumentscheidungen, zusätzliche Lieferungen durch Onlinehandel oder die Förderung etwa von E-Autos beeinflussten den Energiebedarf.
"Wir sagen nicht die Zukunft voraus", betont Mitautorin Lidia Stermieri. "Wir berechnen vielmehr Szenarien nach dem Was-wäre-wenn-Prinzip." Die Szenarien selbst träfen nicht exakt so ein, taugten aber als Entscheidungshilfe für Politik und Wirtschaft.
(are)