Studie: Zwei Drittel der Kinofilme online verfügbar

94 Prozent der Hollywood-Streifen und 40 Prozent Filme aus deutscher Produktion stehen vor oder kurz nach Kinostart in Tauschbörsen zur Verfügung; die Filmwirtschaft will die Sicherheit erhöhen.

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Online-Tauschbörsen stellen auch anderthalb Jahre nach dem Start der umstrittenen Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher" ein Eldorado für Filmfans dar. Genaue Zahlen zur Verbreitung deutscher und deutsch synchronisierter Streifen in Peer-2-Peer-Netzen hat die hiesige Filmwirtschaft am heutigen Dienstag in Berlin vorgestellt. Gemäß der Studie "Available for Download" (AfD), welche die Münchner Partners 4 Management GmbH (P4M) gemeinsam mit der RWTH Aachen durchgeführt hat, stehen 94 Prozent der Hollywood-Filme und 40 Prozent Filme aus deutscher Produktion vor oder kurz nach Kinostart online zum nicht autorisierten Download zur Verfügung.

Für die Analyse haben P4M und ihr wissenschaftlicher Partner das von den Verleihern und Kinobetreibern mit Sorge betrachtete Eigenleben verfolgt, das 165 Titel im Zeitraum zwischen November 2004 und März 2005 zum Teil im Internet angenommen haben. 65 Prozent davon wanderten ins Netz, und zwar ein Drittel vor Kinostart, ein Drittel am Startwochenende sowie ein Drittel bis spätestens zwei Wochen danach. In der Folge erscheinen demnach höchstens noch Versionen mit besserem Ton, aber so gut wie keine älteren Streifen mehr. Interessanterweise stehen Blockbuster mit mehr als 500.000 Zuschauern in den ersten Tagen in der Regel erst nach Kinostart zur Verfügung. "Das hängt mit den hohen Sicherheitsvorkehrungen der Verleiher zusammen", erklärt P4M-Geschäftsführer Wolfgang Greipl die Verzögerung. Filme, die unter 100.000 Zuschauer am Eröffnungswochenende haben, waren häufig bereits vor Kinostart online.

Vom Material her sind die Tauschbörsennutzer wählerisch, interessieren sich aber für viele Genres. "Da ist das volle Spektrum drin", weiß Nikolai Dördrechter von der RWTH Aachen. "Es sind sehr aufwendige Produktionen dabei, aber auch Geheimtipps mit nur zehn Startkopien." Wenn ein Film eine "gewisse Erfolgsschwelle" überschritten habe, werde er "auf jeden Fall online zur Verfügung stehen", räumt der Forscher mit dem "Mythos" auf, dass fast nur Hollywood-Schinken betroffen seien. Besonders beliebt seien Actionfilme, Science Fiction und Komödien. Bei den Verleihern sind prinzipiell alle "quer Beet betroffen", hat Dördrechter herausgefunden. Allerdings besagt die Studie auch, dass erhöhte Sicherheitsvorkehrungen wie das Vermeiden von Previews, Kontrollen wie an Flughäfen bei Premieren oder Pressevorführungen sowie gleichzeitige Filmstarts in den wichtigsten Märkten das Entfleuchen von Kopien in den Cyberspace ein paar Tage verlangsamen können. "Verleiher mit guten Sicherheitsvorkehrungen hatten nur 10 Prozent Filme vor Kinostart online", betont Greipl.

Wichtig war es für die Filmwirtschaft herauszufinden, woher die "Raubkopierer" Bild und Ton beziehen. Auch hier hat der Mythos von der verwackelten Hobbyaufnahme mit Popkorn-Knistern keinen Bestand. "Abgefilmt in Summe sind die Kopien eher nicht, aber wohl der Ton aufgenommen", erläutert Dördrechter. Die Bildqualität sei "zu sehr großem Anteil relativ gut bis sehr gut." Ein Drittel verfügt auch beim Ton schon vom Start weg über "störungsfreie Line-Aufnahmen, wo der Ton direkt vom Autokino per Frequenzaufnahme oder per Live-Mitschnitt im Kino von der Tonanlage stammt", weist der Forscher auf Lücken hin. Als Bezugsquellen fürs Bild dienen in knapp der Hälfte der Fälle DVD-Rips aus anderen Sprachräumen, in 24 Prozent so genannte Screener, die im Umfeld von Jury-Begutachtungen oder Pressevorführungen entstehen. Nicht etwa Journalisten sind dabei meist "die Bösen", sondern eher Filmvorführer, die eine Kopie nach einem Pressetermin im leeren Saal durchlaufen lassen und abfilmen.

Vor allem mit dem flächendeckenden Einsatz digitaler Wasserzeichen hofft Johannes Klingsporn, Geschäftsführer des Verbands der Filmverleiher, die bestehenden Sicherheitslöcher abstellen zu können. Schon heute würden alle größeren Filme im Film- und Tonbereich an einzelnen Stellen kodiert, um die exakte Kopie, an der die Entnahme des Materials erfolgte, zu identifizieren. Den flächendeckenden Einsatz der digitalen Kennmarken auf dem meist noch analogen Material will sein Verband jetzt promoten, nachdem eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Publikations- und Informationssysteme (IPSI) grünes Licht gegeben hat. Die Forscher, die auch die Wasserzeichen produzieren, haben laut Klingsporn nachgewiesen, "dass die Technologie einwandfrei funktioniert". Die Wasserzeichen seien jederzeit zu erkennen, während der Endverbraucher auch an leisen Filmstellen nichts mitbekomme. Klingsporns Vision ist der Aufbau eines "automatischen internationalen Suchsystems" mit Hilfe der deutschen Technik, um den "Raubkopierern" auch in den eigenen Reihen das Handwerk legen zu können.

Im Sommer sollen auch die anderen Bestandteile des Maßnahmenpakets der Filmindustrie nicht zu kurz kommen: Zum einen befragen "Aufklärer" im "Polizei-Look" gegenwärtig die Zielgruppe etwa an "Szene-Locations" unter dem Hinweis auf mögliche Haftstrafen nach dem "Wert der persönlichen Freiheit". Gefängnis droht jenen, die unerlaubt Kopien anfertigen, allerdings nur bei massivem gewerblichen Vorgehen. Auch der im vergangenen Jahr eingeführte "Knast on Tour"-Infostand kommt wieder zum Einsatz, und zwar Mitte August auf der Games Convention in Leipzig sowie auf der IFA Anfang September in Berlin.

Nicht nachlassen will die Filmwirtschaft zudem in ihrem Kampf für einen Auskunftsanspruch gegen Provider, den sich die CDU seit längerem auf ihre Fahnen geschrieben hat. Bei der CDU-Medianight Mitte Juni in Berlin sah Regisseur Dieter Wedel die Konfrontationsstrategie jedoch als kontraproduktiv an: Man dürfte doch froh sein, meinte er, wenn überhaupt jemand manchen Film zumindest kopiere und sich anschaue. Für Klingsporn ist dagegen "klar, dass der Kampf gegen Raubkopien kein Sprint ist, sondern Marathonlauf". Es sei noch lange nicht Schluss. (Stefan Krempl) / (pmz)