US-Studie: Unter "Supersharern" von Desinformation besonders viele ältere Frauen

Eine Analyse von 660.000 Accounts auf X bestätigt, dass extrem wenige Accounts die meisten Fake News verbreiten. Sie zeigt nun auch, um wen es sich handelt.

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Ärgerliche Seniorin an einem Laptop

(Bild: Grusho Anna/Shutterstock.com)

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In den USA verbreiten deutlich weniger als ein Prozent der User des Kurznachrichtendiensts X (vormals Twitter) dort den Großteil von Desinformation, dabei handelt es sich überproportional um ältere Weiße Frauen aus drei konservativen Bundesstaaten, die die Republikaner wählen. Das hat eine Forschungsgruppe für die Vereinigten Staaten ermittelt und gleich einige Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen sich das Problem effektiv eindämmen ließe, fasst das Wissenschaftsmagazin Science zusammen. Herausgefunden haben sie, dass die etwa 2100 "Supersharer" aus einer Stichprobe von mehr als 660.000 Accounts offenbar manuell tätig sind. "Sie sitzen sprichwörtlich vor ihren Computern und drücken Retweet", erklärt die Psychologin Briony Swire-Thompson.

Weitere demographische Ergebnisse: Panel ist die Gesamtheit der studierten Accounts, "SS-NF" teilen Nicht-Fake-News und "AVG. Fake" teilen Fake News in durchschnittlicher Menge

(Bild: Baribi-Bartov et.al)

Für die Analyse hat die Forschungsgruppe das Verhalten von über 660.000 X-Accounts untersucht, die Klarnamen und Ortsangaben enthalten. Die konnten sie mit Daten zur Wahlregistrierung abgleichen. Ermittelt haben sie so, wer hinter den genau 2107 (0,3 Prozent) Accounts steckt, die 80 Prozent der Beiträge verbreiten, die zu Webseiten voller "Fake News" führen. Es handle sich überproportional um "mittelalte weiße Frauen" aus Arizona, Florida und Texas, die in Gegenden mit geringer Bildung, aber relativ hohen Einkommen leben. Es habe den Anschein, als würde Desinformation nicht rund um Wahlen durch technikaffine Individuen verbreitet, sondern als stecke ein lang haltender gesellschaftlicher Prozess dahinter, bei dem das Ökosystem rund um Nachrichten für einige kontaminiert wird.

Die Studie deutet einmal mehr darauf hin, dass Desinformation und Fake News von vergleichsweise wenigen Individuen verbreitet werden, die in sozialen Netzwerken immens aktiv sind. Gleichzeitig würden die sehr viele erreichen, im Datensatz folgt demnach jeder 20ste Account mindestens einem "Supersharer". Anfangs habe die Forschungsgruppe angesichts der schieren Menge an Aktivität vermutet, dass die ihre Beiträge automatisiert absetzen, schreibt Science. Aber weder die Uhrzeiten noch die Pausen zwischen den Beiträgen hätten dafür Indizien geliefert. Das sei eine große Überraschung gewesen, meint Swire-Thompson. Sie würden händisch "die politische Realität für viele" verzerren. Nachdem man nun wisse, wer dahintersteckt, stelle sich die Frage: "Warum tun sie das?"

Auf Basis der Ergebnisse schlagen die zwei Forscherinnen und ihr Kollege vor, im Kampf gegen "Fake News" direkt bei den "Supersharern" anzusetzen. Wären die in ihrer Studie identifizierten vor den US-Präsidentschaftswahlen suspendiert worden, wären auf dem Kurznachrichtendienst zwei Drittel weniger Links zu Desinformationen verbreitet worden. Alternativ ließe sich aber auch die Zahl der erlaubten Retweets begrenzen. Ein Limit von 50 Retweets pro Tag würde beispielsweise 90 Prozent der "Supersharer" beeinträchtigen, aber nur ein Prozent aller User. Vorstellbar wäre auch eine zusätzliche Abfrage, die vor einem Retweet erfolgt. Die ganze Studie ist im Forschungsmagazin Science erschienen.

(mho)