Sturm im Wasserglas

Blackberry-Hersteller Research in Motion hat beim Storm 9500 mit einer alten Tradition gebrochen: Die Tastatur ist verschwunden, das Gerät wird – dem Trend folgend – fast nur noch über den 360 480 Pixel großen kapazitiven Touchscreen bedient.

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Research in Motion bewirbt sein Blackberry Storm damit, es enthalte den „ersten klickbaren Touchscreen“. Dieser reagiert auf die Annäherung durch den Finger (die Eingabe per Stift funktioniert nicht) zunächst mit einer Markierung des gewählten Bereichs, im Falle einer virtuellen Tastatur wird der markierte Buchstabe zwecks besserer Lesbarkeit größer dargestellt. Erst ein Druck auf den Bildschirm führt die Funktion aus. Der gesamte Touchscreen wird dabei wie eine einzige große Taste gedrückt; das Gefühl dabei entspricht etwa einem Mausklick. Bei der Arbeit in Menüs und beim Surfen funktioniert dies nach etwas Eingewöhnung recht gut, doch beim Schreiben von Texten tippt man häufig daneben. Die Korrektur von Texten fällt schwer, da Pfeiltasten fehlen und es keine Möglichkeit gibt, den Cursor mit dem Finger genau zu positionieren – man muss in der Nähe des zu bearbeitenden Textbereichs drücken und benötigt häufig mehrere Anläufe, bis der richtige Buchstabe markiert ist.

Lässt man seine Finger eine Zeit lang auf einem Buchstaben der virtuellen Tastatur ruhen, öffnet sich ein Menü für die zugehörigen Sonderzeichen. Im Querformat gibt es eine Volltastatur, im Hochformat jedoch nur eine übliche Handy-Tastatur, die als Tipphilfe die RIM-eigene ShureType-Technik bietet. Eine konsistente Bedienung vermissten wir an dieser Stelle: Während die Buchstabentasten nach längerer Berührung die Auswahl der zugehörigen Sonderzeichen anbieten, muss man bei den Tasten 0, 1 und * das Display herunterdrücken – erst dann erscheint ein Menü, aus dem man das gewünschte Zeichen auswählt.

In der Notizen-Anwendung und im Adressbuch fanden wir einen Software-Fehler: Bei der Sonderzeichen-Funktion erschien in einigen Fällen plötzlich in der oberen Hälfte des Displays das Bild der integrierten Kamera. Die Eingaben gingen zwar nicht verloren, eine weitere Bearbeitung war jedoch erst nach Aktivieren und anschließendem Beenden der Kamerafunktion möglich. Texte mit Umlauten können so nicht eingegeben werden – für deutsche Benutzer unbrauchbar. Auch wenn dieser Fehler nicht immer auftrat, wird manch geübter Blackberry-Nutzer für die Texteingabe mehr Zeit benötigen als auf seinem gewohnten Gerät.

RIMs erster Touchscreen-Blackberry braucht einen echten Klick - reines Berühren des Bildschirms reicht zur Steuerung nicht aus.

Der Browser meldet sich als Netscape und kennt immerhin JavaScript bis Version 1.5. Ein komfortables System zum Vergrößern und Verkleinern von Inhalten wie beim iPhone kennt er nicht, sondern der Benutzer muss mit zwei Zoom-Tasten vorliebnehmen, die jedoch kein stufenloses Zoomen ermöglichen.

Mittels Lagesensor dreht der Blackberry den Bildschirminhalt automatisch. Gelegentlich dauerte es jedoch mehrere Sekunden, bis er auf die geänderte Lage reagierte. Auch an anderen Stellen wirkte der Storm etwas träge; der Wechsel zu anderen laufenden Anwendungen klappte etwa mitunter erst im zweiten Anlauf.

Die Fotos der Autofokuskamera können nicht überzeugen. Ausgefranste Ränder und Schärfungsartefakte trüben den Spaß. Bilder lassen sich mit Hilfe des integrierten GPS-Empfängers mit Geo-Koordinaten belegen. Die Kamera benötigt nach dem etwa 1,5 Sekunden dauernden Scharfstellen noch rund eine halbe Sekunde Zeit, das Foto einzufangen – für Schnappschüsse ungeeignet, Kinder sind da längst aus dem Blickfeld verschwunden. Videos nimmt der Storm nicht auf.

Besser steht er bei Audio- und Videowiedergabe da. Das Smartphone eignet sich dank 3,5-mm-Klinkenbuchse und Bluetooth-Profil A2DP auch als Musikspieler. Der Klang des mitgelieferten Headsets ist durchaus ausgewogen, zur Vermeidung von Gehörschäden warnt der Storm vor allzu großer Lautstärke, lässt sie aber anders als mancher iPod zu.

Der Touchscreen-Blackberry ist exklusiv bei Vodafone erhältlich, der Provider bietet dazu verschiedene Tarifmodelle an. Wer das Gerät für einen Euro kaufen möchte, muss dazu einen zwei Jahre laufenden Vertrag mit dem Namen SuperFlat AllNet abschließen. Dieser umfasst zum Preis von 90 Euro pro Monat Telefonate in alle deutschen Netze (außer Sonderrufnummern), jedoch keine Datendienste. Mit einer Startautomatik können Blackberry-Neulinge 30 Tage lang kostenlos das mobile Internet und die Messaging-Funktionen des Blackberry testen, danach schlägt Vodafone ein zum Kundenverhalten passendes Datenpaket vor. Ein Datenvolumen von einem MByte gibt es im Tarif Internet Messaging S für drei Euro monatlich, für zehn Euro darf man mit dem Blackberry eine unbegrenzte Menge Traffic erzeugen.

Das Gerät macht einen wertigen Eindruck und nach einer kleinen Eingewöhnung durchaus Spaß – nervt allerdings mit kleinen Software-Fehlern. Die Menüführung ist alles andere als gelungen und befriedigt weder Multimedia-Fan noch den Geschäftsmann so richtig. Ein Ersatz für einen Blackberry mit Knöpfchen-Tastatur ist der erste Touchscreen-Blackberry nicht. (ll)